Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergaberecht. Änderung an den Vertragsunterlagen. Auslegung von Angeboten. Wertung von Nebenangeboten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Änderung an den Vergabeunterlagen liegt vor, wenn ein Bieter von den Vorgaben der Vergabeunterlagen abweicht. Änderungen können den Inhalt der nachgefragten Leistung oder die Vertragskonditionen und Preise betreffen. Ob ein Angebot von den Vergabeunterlagen abweicht oder den nachgefragten Leistungen entspricht, ist im Zweifel durch Auslegung zu ermitteln.

2. Bei der Wertung von Nebenangeboten sind auch solche Angebote, die die Mindestanforderungen erfüllen, einer Gleichwertigkeitsprüfung zu unterziehen.

 

Normenkette

GWB § 107 Abs. 2-3; VOB/A § 13 Abs. 1, § 16 Abs. 1, § 16a Abs. 3

 

Verfahrensgang

VK Darmstadt (Entscheidung vom 25.11.2011; Aktenzeichen 69 d VK 39/11)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer des Landes Hessen (Az.: 69 d VK 39/2011) wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des Eilverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung der Antragsgegnerin und der Beigeladenen erforderlichen Aufwendungen.

Die Hinzuziehung einer Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin wird für notwendig erklärt.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.736.556,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin hat im Februar 2011 den Auftrag zum Neubau des Tunnels X (BAB ...) im offenen Verfahren nach VOB europaweit ausgeschrieben. Als Zuschlagskriterium wurden der Preis mit einer Gewichtung von 90 % und der Technische Wert mit 10 % genannt. Unterkriterium für diesen war die Qualitätssicherung. Nebenangebote waren zugelassen.

Die Mindestanforderungen für Nebenangebote waren in der Aufforderung zur Angebotsabgabe wie folgt angegeben:

- "Als Mindestforderung für die Qualität gilt das Leistungsverzeichnis

- Siehe einschlägige Regelwerke gem. anliegendem Vordruck HVA B -StB Mindestanforderungen Nebenangebote" (Anl. BF 16 = GA 120)."

Die Antragstellerin hat ein Hauptangebot und sieben Nebenangebote, die Beigeladene hat ein Haupt- und zwei Nebenangebote abgegeben. Am 13. September 2011 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, sie beabsichtige, den Zuschlag auf das Hauptangebot der Beigeladenen zu erteilen. Die Antragstellerin habe beim technischen Wert die Höchstpunktzahl und beim Preis 9.908 von 10.000 Punkten erreicht. Ihre Nebenangebote hätten mangels Gleichwertigkeit ausgeschlossen werden müssen. Mit Schreiben vom 16. Dezember 2011 rügte die Antragstellerin, ihre Nebenangebote 2) - 7) seien zu Unrecht nicht gewertet worden. Sie erfüllten die Mindestbedingungen. Eine darüber hinausgehende Gleichwertigkeitsprüfung sei weder erforderlich noch zulässig.

Nachdem die Antragsgegnerin der Rüge nicht abgeholfen hat, stellte die Antragstellerin am 22. September 2011 einen Nachprüfungsantrag, mit dem sie sich gegen die Nichtberücksichtigung ihrer Nebenangebote wendete. Nach erfolgter Akteneinsicht hat sie ergänzend vorgetragen, das Hauptangebot der Beigeladenen müsse ausgeschlossen werden, weil diese veraltete Eignungsnachweise vorgelegt habe. Ferner habe sie in Position 00.20.0030 des Leistungsverzeichnisses (LV) nicht den Preis für die geforderte Leistung angegeben. Damit habe sie die Verdingungsunterlagen so geändert, dass ihr Angebot ausgeschlossen werden müsse. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene sind dem entgegengetreten.

Die Position 00.20.0030 LV betrifft die zeitgebundenen Kosten der Baustelle sowie die Vor- und Instandhaltung der Baustelleneinrichtung für die Zeit der "Vortriebs- und Sicherungsarbeiten bergmännischer Tunnel".

Wörtlich heißt es dort:

"In den Einheitspreis sind ...einzurechnen: Gehalts-, Lohn-, Gerätekosten ..." : Verlangt wird als Preisangabe 1,000 psch. Unter derselben Position findet sich eine Abrechnungsvereinbarung mit folgendem Inhalt:

"Pauschalpreis : angebotene Vortriebszeit = 1 VE (Verrechnungseinheit). Die Abrechnungssumme richtet sich nach den tatsächlich angetroffenen Gebirgsverhältnissen."

In den Angeboten aller Bieter findet sich in der Position 00.20.0030 ein Pauschalpreis, der ausschließlich in die Wertung eingeflossen ist.

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie den Ausschluss der Beigeladenen und die Wertung ihrer Nebenangebote 2) und 4) - 7) weiterverfolgt und zu deren Begründung sie vorträgt:

Die Vergabekammer habe die der LV-Position 00.20.0030 zugrundeliegende Abrechnungssystematik nicht verstanden und eine falsche Vorstellung von den anzugebenden Preisen gehabt. Die Beigeladene habe sich nicht an die Vorgaben zum Zwecke der Preisermittlung der LV-Position 00.20.0030 gehalten. Sie habe in den "Anlagen für Bietereintragungen" für die Vortriebs-Teilzeiten Z1 bis Z10 zwar Angaben gemacht, die ...

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