Leitsatz (amtlich)

1. § 25 Abs. 3 WEG ist dahingehend abdingbar, dass die Beschlussfähigkeit der Wohnungseigentümerversammlung alleine davon abhängig ist, dass mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile vertreten ist.

2. Zur Auslegung einer entsprechenden Regelung in der Gemeinschaftsordnung.

3. Zur Frage der Stimmrechtsfähigkeit sog. isolierter Miteigentumsanteile.

4. Ein Anspruch auf Änderung einer Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung kann nicht im Beschlussanfechtungsverfahren einredeweise geltend gemacht werden.

5. Die Zulässigkeit einer sog. "Eventualeinberufung" zu einer Wohnungseigentümerversammlung bedarf einer ausdrücklichen Vereinbarung.

 

Normenkette

WEG §§ 3, 8, 10, 25

 

Verfahrensgang

LG Kassel (Aktenzeichen 3 T 837/05, 3 T 897/05)

 

Gründe

I. Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer der sich aus dem Rubrum ergebenden Wohnungseigentumsanlage. Eigentümerin des gesamten Areals war ursprünglich die A-... GmbH aus O1, die dort die Errichtung von insgesamt 431 Eigentumswohnungen in sieben Baukörpern mit 280 Kfz-Einstellplätzen in einer Tiefgarage und 40 Außenstellplätzen samt den dazugehörigen Bewirtschaftungs- und Außenanlagen plante. Entsprechend wurden mit notarieller Teilungserklärung vom 6.7.1993 (Blatt 164 ff. d.A.) 431 Wohnungseigentumsanteile gebildet und, wie die Antragsgegner auf S. 6 ihres Schriftsatzes vom 23.11.2005 (Blatt 138 d.A.) unwidersprochen vorgetragen haben, auch entsprechende Grundbuchblätter angelegt. Von den geplanten 431 Wohneinheiten sind bislang jedoch lediglich 187 baulich errichtet worden.

Eigentümerin der übrigen 244 Wohneinheiten (Nr. 188 bis 431) war bis zum 8.11.2005 die A-... GmbH; am 8.11.2005 erwarb die Antragstellerin diese Einheiten im Wege der Zwangsversteigerung. Sie ist darüber hinaus Eigentümerin weiterer 67 Wohnungseigentumsanteile; 41 hiervon wurden ihr im Rahmen der Zwangsversteigerung durch Beschluss des AG Kassel vom 29.4.2004 zugeschlagen.

In der notariell beurkundeten Gemeinschaftsordnung vom 6.7.1993 (Blatt 187 ff. d.A.) heißt es u.a.:

"§ 14 Wohnungseigentümerversammlung

1. Angelegenheiten, über die nach dem Wohnungseigentumsgesetz oder nach dem Inhalt dieser Gemeinschaftsordnung die Sondereigentümer durch Beschluss entscheiden können, werden durch Beschlussfassung in einer Versammlung der Sondereigentümer geordnet.

2. Die Eigentümerversammlung wird durch den Verwalter einberufen, der auch den Vorsitz in der Versammlung führt ...

3. Für die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung genügt die Absendung des Ladungsschreibens an die Anschrift, die dem Verwalter von dem Sondereigentümer zuletzt mitgeteilt worden ist.

In der Einladung zur Eigentümerversammlung sind die Tagesordnungspunkte stichwortartig mitzuteilen.

4. Die Eigentümerversammlung ist beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile vertreten ist.

5 ...

6. Ist die Versammlung nicht beschlussfähig, so wird der Verwalter in seiner Ladung zur zweiten Versammlung mit gleichem Gegenstand einladen. Diese Zweitversammlung ist in jedem Fall beschlussfähig, und zwar auch dann, wenn die vorgeschriebenen Mehrheiten nicht vertreten sind. Der Verwalter hat in der Einladung gesondert darauf hinzuweisen, dass es sich um die Einladung zur Zweitversammlung handelt und dass in dieser auch abgestimmt werden kann, wenn die erforderlichen Mehrheiten nicht vertreten sind.

7. Zum Stimmrecht: In Abweichung zum gesetzlich vorgeschlagenen Kopfprinzip entfällt auf jedes Wohnungseigentum eine Stimme ohne Rücksicht auf die Größe des zu ihm gehörenden Miteigentumsanteils ...

8. ...

9. Beschlüsse der Versammlung werden grundsätzlich mit einfacher Ja-Stimmenmehrheit gefasst, soweit das Gesetz oder die Gemeinschaftsordnung nicht eine qualifizierte Mehrheit verlangen.

Bei Stimmengleichheit gilt ein Antrag als abgelehnt.

Änderungen der Gemeinschaftsordnung können nur einstimmig beschlossen werden."

Mit am 13.9.2004 versandtem Schreiben (Blatt 7 d.A.) lud der Verwalter der Anlage - der Beteiligte zu 3.) - zu einer außerordentlichen Eigentümerversammlung am 2.10.2004 ein. In der Einladung heißt es u.a.:

"TOP 4 Verwalter

Vertragslaufzeit, sowie Vertragszusatz wg. Regelung Fertigstellung 187 WE ...

Für den Fall, dass um 11:00 keine beschlussfähige Mehrheit anwesend oder vertreten ist, wird ersatzweise die Zweitversammlung einberufen für 11:30 Uhr.

Diese Zweitversammlung wird am gleichen Ort, mit der vorgenannten Anschrift und der Tagesordnung wie vorstehend unter TOP 1 TOP 6 genannt, zur Beschlussfassung aufgerufen, unabhängig von der Anzahl der anwesenden oder vertretenen Stimmenanteile. Auf die Beschlussfähigkeit dieser Zweitversammlung weise ich ausdrücklich hin."

Ausweislich des Protokolls der Eigentümerversammlung (Blatt 8 ff. d.A.) begann die Eigentümerversammlung um 11:15 Uhr. Um 11:20 Uhr waren insgesamt 155 Wohnungseigentümer anwesend bzw. durch Bevollmächtigte vertreten, wobei der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin für diese insgesamt 68 Stimmen beanspruchte. Daraufhin stellte der Verwalter die Be...

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