Leitsatz (amtlich)

Im Rahmen der Prüfung nach § 1772 Abs. 1 S. 2 BGB, ob überwiegende Interessen der Eltern des Anzunehmenden einer Volljährigenadoption mit den Wirkungen der Minderjährigenadoption entgegenstehen, ist der Wegfall eines möglichen Elternunterhaltsanspruchs durch das Erlöschen des Verwandtschaftsverhältnisses nicht allein bestimmend, sondern nur neben anderen Umständen des Einzelfalles zu berücksichtigen.

Für die Annahme, dass insbesondere wirtschaftliche Interessen des leiblichen Elternteils einer Volladoption nicht entgegenstehen, müssen nicht notwendiger Weise die strengen tatbestandlichen Voraussetzungen einer Verwirkung des Elternunterhaltsanspruchs gem. § 1611 Abs. 1 S. 1 BGB erfüllt sein.

 

Normenkette

BGB § 1611 Abs. 1 S. 1, §§ 1767, 1772 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 470 F 16160/17)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Anzunehmenden und der Annehmenden gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Frankfurt am Main vom 7. September 2018 (Geschäftsnummer 470 F 16160/17 AD) wird dieser abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1.

A1, ...

Anzunehmende -

wird von A2, ...

Annehmende -

als Kind angenommen (§ 1767 BGB).

Die Wirkungen der Annahme richten sich nach den Vorschriften über die Annahme einer Minderjährigen.

Der Geburtsname der Anzunehmenden lautet: ...

2. Die Annehmende und die Anzunehmende haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zur tragen.

3. Der Verfahrenswert wird auf 50.000,- Euro festgesetzt.

II. Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet

 

Gründe

I. Die Anzunehmende ist die Tochter des weiteren Beteiligten zu 2., des Ehemannes der Annehmenden, und ihrer leiblichen Mutter, der weiteren Beteiligten zu 3., der geschiedenen Ehefrau des weiteren Beteiligten zu 2. Die Anzunehmende ist unverheiratet und hat keine Kinder. Die Ehe ihrer Eltern, des weiteren Beteiligten zu 2. und der weiteren Beteiligten zu 3., wurde nach Angabe der weiteren Beteiligten zu 3. im Jahr 1991 geschieden. Die Anzunehmende verblieb nach der Trennung der Eltern zunächst zusammen mit ihrem jüngeren Bruder B im Haushalt der Mutter und wechselte sodann in den Haushalt des Vaters, der zu dieser Zeit bereits einen gemeinsamen Haushalt mit seiner damaligen Lebensgefährtin und späteren Ehefrau, der Annehmenden, führte. Im Jahr 2002 wechselte auch B in den Haushalt des Vaters. Seit dem 8. Lebensjahr der Anzunehmenden bestand somit ein gemeinsamer Haushalt mit ihrem Vater und der Annehmenden. Die Annehmende und der Vater der Anzunehmenden haben am 18.8.1995 geheiratet. Aus dieser Ehe ist der Halbbruder der Anzunehmenden, der weitere Beteiligte zu 4., hervorgegangen.

In der Zeit von September 2002 bis Dezember 2004 leistete die leibliche Mutter Unterhalt für die Anzunehmende i.H.v. insgesamt 2.900 EUR. Weitere Unterhaltszahlungen erfolgten, auch nach Eintritt der Volljährigkeit und Aufnahme eines Studiums der Anzunehmenden nicht. Spätestens seit Dezember 2004 besteht kein Kontakt mehr zwischen der Anzunehmenden und ihrer leiblichen Mutter. Einem BAFöG-Antrag der Anzunehmenden aus dem Jahr 2005 wurde nicht entsprochen. Die leibliche Mutter, die weitere Beteiligte zu 3., hatte Angaben zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen verweigert.

Die Annehmende und die Anzunehmende haben mit notarieller Urkunde des Notars ... mit dem Amtssitz in Frankfurt am Main - Höchst vom 4.12.2017 (Nummer 660 der Urkundenrolle 2017) beantragt, die Annahme als Kind auszusprechen. Zugleich wurde ein Antrag auf Ausspruch einer Volljährigenadoption mit den Wirkungen der Annahme nach den Vorschriften über die Annahme eines Minderjährigen gestellt. Der Vater der Anzunehmenden und Ehemann der Annehmenden, der weitere Beteiligte zu 2., stimmte der Adoption in der notariellen Urkunde zu. Das Amtsgericht hat die Annehmende und die Anzunehmende persönlich und die weiteren Beteiligten zu 3. und zu 4. schriftlich angehört.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht die beantragte Adoption mit der Begründung abgelehnt, dass die Voraussetzungen einer Volljährigenadoption mit den Wirkungen einer Minderjährigenadoption (sog. Adoption mit starker Wirkung oder Volladoption) nicht gegeben seien, denn die Interessen der weiteren Beteiligten zu 3., der leiblichen Mutter der Anzunehmenden, an einem Unterbleiben der Volljährigenadoption mit starker Wirkung würden überwiegen. Ein solches Interesse sei hier vor allem in der Aufrechterhaltung der Unterhaltsverpflichtung der Anzunehmenden zu sehen. Auf die Interessenabwägung sei der Maßstab des § 1611 BGB anzuwenden, so dass eine Adoption mit starker Wirkung (Volladoption) im Ergebnis nur dann in Betracht komme, wenn die leibliche Mutter ihre Unterhaltspflicht gröblich vernachlässigt habe oder sonst eine vorsätzliche schwere Verfehlung in der Vergangenheit festzustellen sei. Hier habe die leibliche Mutter der Anzunehmenden dieser während der Minderjährigkeit und teilweise auch noch während der Volljährigkeit nicht unerheblich ...

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