Leitsatz (amtlich)

In der Versendung von Speisesalz enthaltenden Briefen unter Hinweis auf das "supersensationelle Gesundheitspulver von Dr. med. Mills-Brandt" liegt wegen des Hinweises auf Milzbrand eine Störung des öffentlichen Friedens und die Vortäuschung einer Straftat (§§ 126 Abs. 2, 145 Abs. 1. Nr. 2, 145 d Abs. 1 StGB).

 

Verfahrensgang

AG Kassel (Entscheidung vom 14.11.2006; Aktenzeichen 22 Js 35490/01 Ds)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 05.11.2002; Aktenzeichen VI ZB 40/02)

 

Tenor

Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils wird abgeändert. Der Angeklagte ist schuldig der fünffachen Störung des öffentlichen Friedens durch Vortäuschung, die Verwirklichung eines Mordes stehe bevor, in Tateinheit mit der Vortäuschung, dass wegen gemeiner Gefahr die Hilfe anderer erforderlich sei, davon in drei Fällen in Tateinheit mit dem Vortäuschen einer Straftat.

Im übrigen wird die Revision auf Kosten des Angeklagten als unbegründet verworfen.

Angewendete Vorschriften: §§ 126 Abs. 2, 145 Abs. 1 Nr. 2, 145 d Abs. 1 Nr. 1 und 2, 52 StGB.

 

Gründe

Das Amtsgericht Kassel hat den Angeklagten wegen Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Unter Anrechnung der in diesem Verfahren erlittenen Untersuchungshaft hat es die Restfreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Der Angeklagte rügt mit seiner Sprungrevision die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat im Ergebnis keinen Erfolg.

I.

Nach verschiedenen Medienberichten über echte und vorgetäuschte Anschläge mit Milzbranderregern in den USA und in der Bundesrepublik Deutschland fertigte der Angeklagte am 16. Oktober 2001 fünf Briefe mit Sichtfenster, die er am selben Tag absandte. In alle fünf Briefe gab er Speisesalz in loser Form und einen Zettel. Die Zettel steckte er so in die Briefumschläge, dass für jeden, der die Briefe in den Händen hielt, im Sichtfenster folgender Text zu lesen war:

Probieren Sie das supersensationelle Gesundheitspulver von Dr. med. Mills-Brandt! Wenigstens kein geschmackloser Scherz!"

Rechts neben den Sichtfenstern waren die Empfängeradressen aufgeführt. Auf der Rückseite der Briefumschläge befand sich als Absender der Name des Angeklagten sowie seine Adresse. Außerdem enthielt jeder Brief auf der Rückseite folgenden Zusatz: Polizeiliche Nachfragen unter . . . " Es folgte die Telefonnummer des Angeklagten.

Die Briefe Nr. 1 und Nr. 2 waren an Freunde des Angeklagten in Kassel gerichtet. Diese Briefe wurden von Postbediensteten in der Postverteilerstelle in Kassel bemerkt; wegen des Verdachts auf Milzbranderreger wurde die Polizei verständigt und ein größerer Alarm ausgelöst. Feuerwehrmänner sicherten mit Atemschutzmasken die beiden Briefe und übergaben sie an eine Ärztin des Gesundheitsamtes. Die Postbediensteten, die mit den Sendungen in Kontakt gekommen waren, wurden für einige Zeit in einem gesonderten Raum isoliert.

Am 17. Oktober 2001 um 7. 00 Uhr hatte der Angeklagte die Kundendienststelle der Post in Marburg über die Ungefährlichkeit des Inhalts der Briefe informiert. Die Geschehnisse in der Postverteilerstelle in Kassel waren hierdurch nicht mehr aufzuhalten.

Der dritte Brief war an einen Freund des Angeklagten in Hamburg adressiert. Der Brief ging diesem zu. Da ihn der Angeklagte zuvor vom Inhalt des Briefes telefonisch unterrichtet hatte, warf er den Brief in den Müll. Der vierte Brief war an . . . in Köln gerichtet und wurde von einer Mitarbeiterin des Senders, die die Sache als Scherz ansah, in den Müll geworfen. Der fünfte Brief war an die . . . in Köln-Mühlheim adressiert. Er erreichte den Empfänger nicht. Die Polizei in Kassel hatte den Leiter des Postverteilerzentrums Köln-Ost informiert. Dort wurde der Brief gefunden und sichergestellt.

Die Medienberichte über echte und vorgetäuschte Anschläge mit Milzbranderregern in den USA und in der Bundesrepublik Deutschland waren dem Angeklagten bekannt. Er wusste, dass Milzbrandinfektionen zum Tode führen können. Ihm war klar, dass Postbedienstete bei der Ermittlung der Empfängeradresse zwangsläufig auf das Sichtfenster der von ihm versandten Briefe sehen würden und aus Unsicherheit und Verängstigung einen Großeinsatz auslösen könnten. Das nahm er in Kauf, weil es ihm um eine galgenhumorige" Anspielung auf das tagespolitische Geschehen ging.

Nach der Wertung des Amtsgerichts hat sich der Angeklagte wegen fünffacher Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung, die Verwirklichung eines Mordes stehe bevor (§ 126 Abs. 1 Nr. 2, 1. Alt. StGB), strafbar gemacht.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und ebenso begründete Revision hat im Ergebnis keinen Erfolg.

1.

Der Schuldspruch hält allerdings der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a)

Mit Recht macht die Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main in ihrer Stellungnahme zu der Revision geltend, dass der Angeklagte durch das Versenden der Pseudo-Milzbrandbriefe den Straftatbestand der Störung des öff...

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