Leitsatz (amtlich)

1. Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist bei Vorliegen eines sachlichen Grundes befugt, über einen Gegenstand, der bereits geregelt worden ist, erneut zu beschließen (Zweitbeschluss).

2. Ein sachlicher Grund, die Aufhebung eines früheren Beschlusses zu beschließen, liegt vor, wenn dieser im Widerspruch zur Teilungserklärung steht.

3. Ein derartiger Widerspruch ist anzunehmen, wenn die Teilungserklärung eine Regelung enthält, wonach die Sondereigentümer die Kosten für den Ersatz und die Beschädigung von Fenstern in ihren Sondereigentumsräumen zu tragen haben, eine Wohnungseigentümerversammlung aber beschlossen hat, dass den Sondereigentümern Ersatz (aus der Instandhaltungsrücklage) geleistet wird für von ihnen vorfinanzierte Fenstererneuerung.

 

Normenkette

WEG §§ 10, 23

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Beschluss vom 30.04.2003; Aktenzeichen 19 T 258/2003)

AG Seligenstadt (Aktenzeichen II 57/2000)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde der Antragsteller wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Gerichtskosten der weiteren Beschwerde.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 10.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Antragsteller und die Antragsgegner bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft an der Wohnungseigentumsanlage ...-Straße ... in O1.

In der Teilungserklärung vom 16.9.1980 ist unter Teil III Ziff. 1a) hinsichtlich der Lastentragung vorgesehen, dass den einzelnen Wohnungseigentümern die Kostentragung für die Instandhaltung und Instandsetzung des Sondereigentums obliegt sowie einzelner Gebäudeteile, gleichgültig, ob es sich dabei um Sonder- oder Gemeinschaftseigentum handelt. Unter anderem betrifft dies ... "die Kosten des Ersatzes zerstörter oder beschädigter Fenster von Sondereigentumsräumen sowie des Innenanstrichs solcher Fenster" (Bl. 29 d.A.).

In einer Bestandsaufnahme 1997 hatte sich herausgestellt, dass Fenster der Anlage die Zustandsnote 5 erhalten hatten und ausgetauscht werden mussten. Die Gemeinschaft verfügte jedoch nicht über die erforderlichen Mittel. In einer Wohnungseigentümerversammlung vom 14.9.1997 zu TOP 14 wurde deshalb mehrheitlich beschlossen, dass mit bestimmten Vorgaben und Genehmigung der Verwaltung Eigentümer Fenster in ihrem Sondereigentum in eigener Regie austauschen können. Mit dem betreffenden Eigentümer sollte ein Vertrag über ein zinsloses Darlehen abgeschlossen werden, dass im Fall des Verkaufs einer Wohnung sofort und ansonsten bei ausreichender Instandhaltungsrücklage zurückzuzahlen war (Bl. 183 d.A.). Diesen Beschluss vom 14.9.1997 haben die Wohnungseigentümer in einer Wohnungseigentümerversammlung vom 5.1.2001 durch Mehrheitsbeschluss zu TOP 4.4 wieder aufgehoben, da er in Widerspruch stehe zur Regelung der Kostentragung in der Teilungserklärung. Außerdem gebe der frühere Beschluss verkaufswilligen Wohnungseigentümern die Möglichkeit, den Wert ihrer zum Verkauf anstehenden Wohnung durch den Einbau neuer Fenster auf Kosten der Gemeinschaft zu steigern. Neue Darlehensverträge sollten nicht mehr abgeschlossen und die Rückzahlung auf Grund bereits geschlossener Darlehensverträge nur bei Verkauf der Wohnung erfolgen (Bl. 122, 123 d.A.). Die Antragsteller haben einen Großteil der Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung vom 5.1.2001 angefochten, u.a. den zu TOP 4.4. gefassten Aufhebungsbeschluss, der jetzt nur mehr im Streit steht. Hierzu haben die Antragsteller erstinstanzlich geltend gemacht, mit diesem Aufhebungsbeschluss werde hinsichtlich der Fälligkeit in bestehende Darlehensverträge eingegriffen. Soweit damit bewirkt werden solle, dass Sondereigentümer künftig verpflichtet sein sollen, auf eigene Kosten Fenster zu ersetzen, handele es sich um einen nach der Rechtsprechung des BGH nichtigen Beschluss, da diese Kostenregelung der Teilungserklärung widerspreche. Nach der Teilungserklärung sei nämlich eine Kostentragung der Sondereigentümer nicht wegen allgemeinem Verschleiß und Abnutzung der Fenster, sondern nur bei sonstiger Zerstörung oder Beschädigung vorgesehen.

In formeller Hinsicht haben die Antragsteller beanstandet, dass die Verwalterin zunächst in einer beschlussunfähigen Versammlung am 29.10.2000 hatte Beschlüsse fassen lassen und die Vollmacht erhalten hatte, für den Fall der Anfechtung eine Folgeversammlung abzuhalten und die in der Versammlung vom 29.10.2000 anwesenden Wohnungseigentümer zu vertreten und ihre Stimmen entsprechend dem Beschlussergebnis abzugeben. Nachdem die Antragsteller die meisten Beschlüsse der Versammlung vom 29.10.2001 angefochten hatte, hielt die Verwalterin am 5.1.2001 nach entsprechender Einladung vom 12.12.2000 eine weitere Versammlung ab, in der die Beschlussfassungen vom 29.10.2000 inhaltsgleich wiederholt wurden. Dabei stimmt die Verwalterin für einige Wohnungseigentümer entsprechend ihrer Bevollmächtigung ab, was sich aber nicht auf das Abstimmungsergebnis auswirkte.

Außerdem haben die Antragsteller beanstandet, die Versammlung vom 5.1.2001, einem Freitag, um 1...

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