Leitsatz (amtlich)

Ein Vertrag, mit dem ein Betreuter ein Grundstück auf einen Angehörigen überträgt, um diesen Vermögensgegenstand bei einer absehbaren späteren Inanspruchnahme staatlicher Unterstützung dem Zugriff des Sozialhilfeträgers zu entziehen, ist sittenwidrig und darf vom VormG nicht genehmigt werden.

 

Verfahrensgang

LG Kassel (Beschluss vom 30.07.2003; Aktenzeichen 3 T 265/03)

AG Kassel (Aktenzeichen 781-XVII 918/99)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührendfrei.

 

Gründe

I. Für den 48-jährigen Betroffenen, der an einer geistigen Behinderung leidet, sind seit 1999 seine 77-jährige Mutter und die 44-jährige Schwester zu Betreuerinnen mit den Aufgabenkreisen der Vermögenssorge sowie der Vertretung ggü. Behörden, Versicherungen und sonstigen Institutionen bestellt. Der Betroffene ist Eigentümer des mit einer Doppelhaushälfte bebauten Grundstückes ... straße ... in O1. Der Betroffene, der in einer Behindertenwerkstatt arbeitet, bewohnt die Doppelhaushälfte gemeinsam mit seiner Mutter, die den gemeinsamen Haushalt führt und ihm erforderliche tägliche Unterstützung gewährt. Auf Antrag der Betreuerinnen wurde am 12.8.2002 ein Ergänzungsbetreuer für den Aufgabenkreis "Vertretung des Betroffenen für alle den Verkauf des Hausgrundstücks betreffenden Angelegenheiten" bestellt. Am 20.8.2002 schloss der Ergänzungsbetreuer mit der Schwester des Betroffenen einen notariell beurkundeten Grundstücksübergabevertrag mit Auflassung, durch welchen der Betroffene das Eigentum an dem Grundstück gegen Einräumung eines lebenslangen unentgeltlichen Wohnrechtes an sämtlichen Räumen des Hauses für sich und seine Mutter an die Schwester übergibt. Als Übernehmerin verpflichtet sich die Schwester, das Grundstück nicht zu veräußern und nicht ohne Zustimmung des Betroffenen bzw. seiner Mutter zu belasten, solange der Betroffene bzw. seine Mutter in dem Haus wohnen. Des Weiteren ist in § 6 des notariellen Vertrages bestimmt:

"Neben dem Wohnrecht, welches zugunsten des Übergebers eingeräumt wird, verpflichtet sich Übernehmer zu folgendem:

a) sie hat dafür Sorge zu tragen, dass dem Übergeber alle notwendigen Hilfen für das selbständige Wohnen zur Nutzung des Wohnrechtes erbracht werden. Dies sind z.B. die persönliche Hilfe, Organisation von betreutem Wohnen, ambulante Pflege oder ähnliche zur Verfügung stehenden sozialen Dienste;

b) sollte der Übergeber und die Erschienene zu 3) (krankheits- oder behinderungsbedingt) oder aus eigenem Wunsch heraus, das Wohnrecht nicht mehr in Anspruch nehmen oder in ein Wohnheim gehen, so gilt folgendes:

Das Haus darf vermietet werden. Bei der Vermietung soll der Übergeber die Mieterträge erhalten als:

  • Geldbeträge in Höhe des jeweiligen Rahmens, der nach den jeweiligen einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen einem Behinderten maximal zur freien Verfügung stehen kann;
  • Geschenke zu Weihnachten, Ostern, Pfingsten und zum Geburtstag oder anderen Gelegenheiten, wobei bei der Auswahl der Geschenke auf die Bedürfnisse und Wünsche des Übergebers ausdrücklich einzugehen ist.
  • Zuschüsse zur Finanzierung eines Urlaubs und zur Urlaubsgestaltung
  • Spenden und Zuwendungen in dem den Erträgen aus der Vermietung angemessenen Umfang an das Wohnheim, in dem der Übergeber untergebracht ist, bzw. dessen Träger.

(....)

Sollte Übernehmer das Haus selbst bewohnen, ist eine angemessene Miete einzusetzen und entsprechend, wie bei einer Fremdvermietung, zu verteilen.

Sollte das Haus, gleich aus welchem Grund, verkauft werden, ist der Kaufpreis entsprechend, wie oben dargetan, Zinsanteil eingeschlossen, zu verwenden.

(....)"

Der Notar legte den Vertrag am 26.8.2002 dem AG zur vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung vor. Nachdem die Rechtspflegerin Bedenken gegen die Genehmigungsfähigkeit des Vertrages geäußert hatte, weil der Betroffene keine angemessene Gegenleistung erhalte, teilte der Ergänzungsbetreuer mit Schreiben vom 25.9.2002 mit, die Übergabe des Grundstücks solle erfolgen, damit für den Fall, dass der Betroffene aus gesundheitlichen und behinderungsbedingten Gründen bzw. aus eigenem Wunsch heraus in ein Wohnheim wechsele, sein Vermögen nicht vom Landeswohlfahrtsverband als Sozialhilfeträger übergeleitet werde und dem Betroffenen somit verloren gehe, sondern dieser die in § 6 des Vertrages vorgesehenen Zuwendungen erhalte, so dass der Vertrag durchaus seinem Wohl entspreche. Des Weiteren machte der Ergänzungsbetreuer später geltend, durch den Übergabevertrag werde der Betroffene, der neben dem Hausgrundstück lediglich über ein Sparguthaben von ca. 3.000 Euro sowie monatliche Einkünfte aus Lohn und Erwerbsunfähigkeitsrente von ca. 850 Euro verfügt, von den Unterhaltungs- und Nebenkosten für das Haus entlastet. Die hier gewählte rechtliche Möglichkeit, das Vermögen des Betroffenen vor dem Zugriff des Sozialhilfeträgers zu schützen, sei nach der Rechtsprechung des BGH zu den sog. Behindertentestamenten zulässig.

Das AG verweigerte mit Beschluss vom 7.4.2003 die Erteilung der vormundschaf...

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