Leitsatz (amtlich)

Die Feststellung von Ordnungswidrigkeiten ist eine typische Hoheitsaufgabe aus dem Kernbereich staatlichen Handelns. Eine Mitwirkung von Privatpersonen ist nur möglich, wenn die Verwaltungsbehörde "Herrin" des Verfahrens bleibt. Bei Geschwindigkeitsmessungen muss die Behörde nicht nur Ort, Zeit, Dauer und Häufigkeit der Messungen vorgeben, sondern auch den eigentlichen Messvorgang durch eigene ausgebildete Mitarbeiter kontrollieren, um gegebenenfalls einschreiten zu können. Schließlich muss die Auswertung der Messergebnisse der Ordnungsbehörde vorbehalten bleiben.

 

Verfahrensgang

AG Kassel (Entscheidung vom 06.09.2002; Aktenzeichen 9633 Js-Owi 10957/01 380 Owi)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten der Rechtsbeschwerde und die dem Betroffenen insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

 

Gründe

Mit Bußgeldbescheid des Regierungspräsidiums K. vom 2. März 2001 ist gegen den Betroffenen eine Geldbuße in Höhe von 200,00 DM festgesetzt und ein Fahrverbot von 1 Monat angeordnet worden. Dem Betroffenen wird vorgeworfen, am 19. Januar 2001 um 18.37 Uhr auf der Bundesstraße ... in Höhe Km 1,1 in der Gemarkung K... als Führer des PKW mit dem amtlichen Kennzeichen ... die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 42 km/h überschritten zu haben. Das Amtsgericht Kassel hat den Betroffenen auf seinen Einspruch hin freigesprochen, weil sich der Verstoss auf Grund einer rechtswidrig durchgeführten Geschwindigkeitsmessung nicht feststellen lasse. Die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Kassel rügt mit ihrer Rechtsbeschwerde die Verletzung formellen Rechts. Das von der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main nicht vertretene Rechtsmittel hat im Ergebnis keinen Erfolg.

I.

Nach den Feststellungen erfolgte die Geschwindigkeitsmessung mit dem Lichtschrankengerät E... Typ uP .., das die Gemeinde K... von der Firma L. GmbH mit Vertrag vom 1. Februar 1999 gemietet hatte. Mitgesellschafter und Geschäftsführer der Firma L. GmbH war der Zeuge Ka.. Mit diesem schloss die Gemeinde K... unter dem 4. März 1999 einen unbefristeten "Arbeitsvertrag" zur Aushilfe. Der Zeuge Ka. verpflichtete sich darin zur Leistung aller Arbeiten, die im Zusammenhang mit der Durchführung von Geschwindigkeitsmessungen stehen, wie An- und Abfahrt zur Messstelle, Aufbau und Bedienung der erforderlichen Geräte, Konvertierung von Datensätzen, Erstellung von beweiskräftigen Fotodokumentationen, Wahrnehmung von Gerichtsterminen. Als Vergütung wurden 18,00 DM pro Stunde vereinbart, die der Zeuge nach Erstattung durch die Gemeinde K... von der Firma L. erhalten sollte. Die Messorte und -zeiten wurden dem Zeugen von der Gemeinde K... durch den Leiter des Ordnungsamtes, den Verwaltungsbeamten W., vorgegeben. Nach einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag sollte die Gemeinde den Einsatz der verwendeten Messgeräte überwachen.

Nach Festlegung der Messstelle und -zeit durch den Leiter des Ordnungsamtes baute der Zeuge Ka. das Messgerät alleine auf, führte die erforderlichen Testmessungen durch, überwachte den Messvorgang, protokollierte Besonderheiten und baute das Messgerät auch wieder ab. Der Leiter des Ordnungsamtes fuhr mindestens einmal zur Messstelle und erkundigte sich über eventuelle Besonderheiten der Messung. Das Messverfahren kontrollierte er nicht, da er keine eigenen Kenntnisse über den Umgang mit den Messgeräten hatte. Der Zeuge Ka. entwickelte die Filme, wertete sie aus, ermittelte die Kennzeichen zu den festgestellten Geschwindigkeitsverstößen und kontrollierte das Material auf Verwechslungen hin. Waren Datenfeststellungen nicht möglich, wurde der entsprechend Vorgang von dem Zeugen Ka. aussortiert. Der Zeuge gab sämtliche Daten getrennt nach Verwarn- und Bußgeld in den Computer ein. Das Ordnungsamt der Gemeinde K... erhielt sodann eine Diskette bzw. CD-ROM mit den gesamten Daten. Der Leiter des Ordnungsamtes prüfte die Frontfotos auf Erkennbarkeit und gab anschließend bei Bußgeldsachen alle weiteren Daten ungeprüft an das Regierungspräsidium K. weiter.

Der Zeuge Ka. war bis 1995 Polizeibeamter in Niedersachsen. Vom 20. bis 30. Juli 1993 hatte er einen Lehrgang bei der Polizeiausbildungsstelle für Technik und Verkehr an dem Messgerät E... uP ../VIII-Typ I erfolgreich absolviert. Mit fünf anderen Gemeinden hatte er ähnliche Arbeitsverträge wie mit der Gemeinde K... geschlossen. In den organisatorischen Ablauf der Gemeindeverwaltung war er nicht integriert.

Der Bürgermeister der Gemeinde K... schloss die vorgenannten Verträge mit der Firma L. und dem Zeugen Ka. in Kenntnis des Erlasses des Hessischen Ministeriums des Innern vom 19. Dezember 1995 über "Technische Hilfe für örtliche Ordnungsbehörden durch Privatpersonen". Er wusste auch, dass der Leiter des Ordnungsamtes keinerlei Ausbildung und Kenntnisse im Umgang mit Geschwindigkeitsmessgeräten hatte.

Das Amtsgericht hat die von dem Zeugen Ka. durchgeführte Geschwindigkeitsmessung für rechtswidrig angesehe...

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