Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen eines Geheimhaltungsbeschlusses nach § 174 Abs. 3 GVG

 

Normenkette

GVG § 174 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Beschluss vom 30.10.2019; Aktenzeichen 11 O 60/17)

 

Tenor

Auf die sofortigen Beschwerden des Klägers und der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 21.10.2019 wird die durch Beschluss des Landgerichts Darmstadt vom 30.10.2019 - 11 O 60/17 (Jahreszahl korrigiert - die Red.) - angeordnete und in dem Nichtabhilfebeschluss des Landgerichts Darmstadt vom 20.11.2019 bestätigte Geheimhaltungsverpflichtung des Klägers und der Prozessbevollmächtigten des Klägers aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen Beitragserhöhungen in der von ihm bei der Beklagten unterhaltenen privaten Krankenversicherung. Die Beklagte nahm in dem Tarif 142/20 zum 01.01.2001 und 01.01.2017, in dem Tarif 521/20 zum 01.01.2015 und in dem Tarif 344/20 zum 01.01.2015, 01.01.2016 und zum 01.01.2017 jeweils Erhöhungen der Beiträge vor.

Mit der Klageerwiderung vom 03.08.2017 (Bl. 223 ff. d.A.) legte die Beklagte zur Begründung der Zulässigkeit der Beitragserhöhungen umfangreiche Unterlagen als Anlagen vor, die den zuständigen Treuhändern seinerzeit übermittelt worden sein sollen, und beantragte (Bl. 283 d.A.) u.a., dass die Gegenseite zunächst eine Verschwiegenheitserklärung abgeben möge, bevor ihr die eingereichten Unterlagen zur Einsichtnahme überlassen werden. Eine Übersendung der Anlagen erfolgte versehentlich trotzdem (Bl. 297 d.A.). Der Aufforderung der zuständigen Einzelrichterin, eine Verschwiegenheitserklärung nachträglich abzugeben (Bl. 297 d.A.), kam die Klägerseite nicht nach. Zur Begründung führten die Klägervertreter aus, dass der Gegenstand der Geheimhaltungspflicht nicht bestimmt genug bezeichnet sei und inhaltlich Tatsachen umfasse, die keine Geheimnisse im Sinne von § 172 Nr. 2 GVG seien (Bl. 303 ff. d.A. und Bl. 351 ff. d.A.). Am 04.10.2017 fand eine öffentliche Verhandlung des Landgerichts statt, in der der Antrag der Beklagten auf Ausschluss der Öffentlichkeit zurückgewiesen wurde, da in diesem Termin nicht die eingereichten Berechnungsgrundlagen und die Einkommensnachweise der Treuhänder erörtert werden sollten (Bl. 395 d.A.). In der öffentlichen Verhandlung des Landgerichts vom 28.02.2018 (Protokoll bei Bl. 585 ff. d.A.; Beweisbeschluss bei Bl, 434 d.A.) wurde der Zeuge A zur Behauptung der Beklagtenseite vernommen, dass die dem Gericht im Anlagenband vorgelegten Unterlagen diejenigen Unterlagen seien, die den Treuhändern bei der Prüfung der Beitragserhöhungen zur Verfügung standen. Ein Ausschluss der Öffentlichkeit bzw. die Anordnung einer Verschwiegenheitsverpflichtung erfolgte nicht.

In der Verhandlung vom 22.08.2018 (Bl. 1037 ff d.A.) stellten die Klägervertreter einen Befangenheitsantrag gegen die Einzelrichterin. Mit Schriftsatz vom 03.09.2018 (Bl. 1048 d.A.) beantragten die Klägervertreter sodann Akteneinsicht gemäß § 299 Abs. 1 ZPO. Die Akteneinsicht wurde gewährt. Hierbei waren auch erneut die Anlagen zur Klageerwiderung einsehbar.

Als Anlage zum Schriftsatz vom 24.04.2019 (Bl. 1339 ff. d.A.) reichten die Beklagtenvertreter ein als BLD 71 bezeichnetes Anlagenkonvolut ein, mit dem erneut die Unterlagen, die nach dem bestrittenen Vorbringen der Beklagten dem Treuhänder vorlagen, eingereicht wurden. Zusätzlich enthält das Anlagenkonvolut Unterlagen, die die individuelle Beitragsanpassung des Klägers betreffen und Unterlagen, die dem Treuhänder vorgelegen haben sollen, die aber eine Tariferhöhung betreffen, bezüglich derer die Beklagte bislang von Verjährung möglicher Ansprüche des Klägers ausgegangen war (Gegenüberstellung BLD 5ff und BLD 71 auf Seite 1375 ff. d.A.). Im o.g. Schriftsatz beantragte die Beklagte erneut, die Verpflichtung zur Verschwiegenheit für den Kläger, den Prozessbevollmächtigten des Klägers und den Sachverständigen anzuordnen. Rein vorsorglich beantragte sie auch die Anordnung der Verpflichtung zur Verschwiegenheit für ihre Prozessbevollmächtigten. Hierzu vertrat sie die Auffassung, dass letztere schon aufgrund der aus dem Mandatsverhältnis folgenden Verschwiegenheit ausreichend verpflichtet seien (Bl. 1341 d.A.). Gleichzeitig reichte die Beklagte als BLD 72 (Bl. 1345 f. d.A.) ein Anlagenverzeichnis ein, in welchem die Anlagen des Anlagenkonvoluts BLD 71 konkret bezeichnet werden. Hier wird eine generelle Einstufung in "geheim" und "nicht geheim" vorgenommen und konkretisiert, warum die Beklagte die Unterlagen für geheim hält bzw. welcher Teil der Unterlagen als geheim erachtet wird.

Mit Schriftsatz vom 23.05.2019 (Bl. 1361 ff. d.A.) teilten die Klägervertreter mit, dass eine einvernehmliche Lösung der Verschwiegenheitsproblematik nicht gefunden werden konnte (Bl. 1364 d.A.). Gleichzeitig gaben die Klägervertreter eine einseitige Verpflichtungserklärung ab (Bl. 1365 d.A.)...

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