Verfahrensgang

LG Kassel (Beschluss vom 02.03.1999; Aktenzeichen 3 T 10/99)

AG Kassel (Beschluss vom 04.12.1998; Aktenzeichen 800 II 152/98 WEG)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen.

Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragsstellers zu 1) werden der angefochtene Beschluss des Landgerichts Kassel und der Beschluss des Amtsgerichts Kassel vom 04.12.1998 mit der Maßgabe abgeändert, dass dem Antragsgegner auf den Antrag beider Antragsteller aufgegeben wird, die von ihm vorgenommenen baulichen Veränderungen im Bereich des sich über seiner Wohnung im Dachgeschoss des Hauses … befindlichen Dachbodenraumes ersatzlos zu entfernen und den ursprünglichen Zustand des Dachbodenraumes wiederherzustellen.

Die Gerichtskosten aller Instanzen trägt der Antragsgegner.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Beschwerdewert: 10000,– DM

 

Gründe

Die sofortigen weiteren Beschwerden des Antragstellers zu 1 und die des Antragsgegners sind gemäß § 45 Abs. 1 WEG statthaft, sie sind form und fristgerecht eingelegt (§§ 22 Abs. 1, 29 Abs. 1 und 4 FGG) und auch ansonsten zulässig.

In der Sache ist das Rechtsmittel des Antragsgegners unbegründet, das Rechtsmittel des Antragstellers zu 1) hat Erfolg.

Das Landgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass der Ausbau des Dachgeschosses eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums darstellt, die über das Maß einer ordnungsgemäßen Instandhaltung bzw. Instandsetzung hinausgeht und daher grundsätzlich der Zustimmung aller Wohnungseigentümer bedarf.

Das Landgericht hat weiter ausgeführt, dass durch den durchgeführten Umbau die anderen Wohnungseigentümer vom Mitgebrauch des Dachbodens ausgeschlossen werden und dem Antragsgegner ein Sondernutzungsrecht am Dachboden eingeräumt werde. Hierdurch werde in den dinglichen Kernbereich des Wohnungseigentumsrechts eingegriffen, so dass nach Auffassung des Landgerichts der (vereinbarungsersetzende) Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 26.4.1996 unwirksam ist, unabhängig davon, dass er nicht angefochten wurde.

Hinsichtlich des Rückbauverlangens des Antragstellers zu 1) ist das Landgericht davon ausgegangen, dass dessen Beseitigungsanspruch verwirkt sei, weil der Antragsteller am 19.3.1996 eine Erklärung unterzeichnet habe, wonach er mit dem Ausbau und der Nutzung zu Wohnzwecken des Dachbodens einverstanden sei. Sein Verhalten sei daher widersprüchlich und damit gemäß § 242 BGB unzulässig.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

Zutreffend hat das Landgericht zunächst darauf abgestellt, dass die Wohnungseigentümer mit den Beschlüssen vom 28.1.1995 (Top 8 lit i, Bl. 31 dA) und 26.4.1996 (Top 2 Nachtrag, Bl. 35 dA) nicht nur über bauliche Maßnahmen entschieden haben, sondern, da mit dem Ausbau der Dachgeschosse zugleich dem Ausbauenden die alleinige Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums überlassen werden sollte, auch über die Einräumung von Sondernutzungsrechten.

Ob die Wohnungseigentümerversammlung überhaupt mit (unangefochtenem) Mehrheitsbeschluss die Einräumung von Sondernutzungsrechten beschließen darf, war in der obergerichtlichen Rechtsprechung und Literatur bislang umstritten. Der Senat hat in früheren Entscheidungen (zuletzt Beschluss vom 7.8.2000, 20 W 89/99) die Auffassung vertreten, dass die Einräumung von Sondernutzungsrechten zwar grundsätzlich nur durch eine Vereinbarung aller Wohnungseigentümer möglich sei, dass jedoch nach Bestandskraft des Mehrheitsbeschlusses dieser in der Wirkung die (fehlende) Vereinbarung ersetze.

An dieser Auffassung hält der Senat nach der Entscheidung des BGH vom 20.9.2000 (WuM 2000, 620 = DWE 2000, 113 = NJW 2000, 3500 = ZMR 2000, 771) nicht mehr fest.

Vielmehr ist zu differenzieren zwischen Angelegenheiten, in denen das Gesetz oder eine Vereinbarung der Wohnungseigentümerversammlung eine Beschlussfassung ausdrücklich ermöglicht und solchen, die sie durch Vereinbarung regeln können (und müssen).

Diese grundsätzliche Unterscheidung ist im Gesetz vorgegeben (§§ 10 Abs. 1, 23 Abs. 1 WEG). Ihre Einhaltung sorgt für mehr Transparenz und klare Kompetenzen. Die Mehrheitsherrschaft bedarf damit der Legitimation durch Kompetenzzuweisung (BGH aaO). Fehlt diese, so ist ein dennoch gefasster Mehrheitsbeschluss nicht nur anfechtbar, sondern nichtig (BGH aaO), weil die Wohnungseigentümerversammlung für eine Beschlussfassung nicht zuständig war.

Für die Einräumung von Sondernutzungsrechten fehlt der Wohnungseigentümerversammlung die Beschlusskompetenz.

In der Teilungserklärung vom 27.7.1984 (§ 2 Ziffer 3) werden die Dachgeschosse der einzelnen Häuser der Anlage als gemeinschaftliches Eigentum ausgewiesen. Der völlige Entzug des Mitgebrauchs der anderen und die Zuweisung nur an den ausbauenden Wohnungseigentümer stellt keine Gebrauchsregelung mehr iSv § 15 WEG dar, über die die Wohnungseigentümer durch Beschluss entscheiden könnten. Da das Gesetz grundsätzlich den Mitgebrauch aller Wohnungseigentümer am geme...

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