Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrenskostenhilfe für zweites Scheidungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Verfahrenskostenhilfe für ein zweites Scheidungsverfahren kann wegen Mutwilligkeit dann einschränkend zu bewilligen sein, wenn der Antragsteller bereits zuvor mit bewilligter Verfahrenskostenhilfe ein Scheidungsverfahren geführt hat und den Scheidungsantrag trotz fortbestehender Trennungsabsicht ohne nachvollziehbaren Grund zurückgenommen hat. In diesem Fall ist Verfahrenskostenhilfe unter Ausschluss der bereits in dem früheren Scheidungsverfahren entstandenen Gerichtsgebühren und den aus der Staatskasse bereits verauslagten Rechtsanwaltsgebühren zu bewilligen.

 

Normenkette

FamFG § 113; ZPO § 114

 

Verfahrensgang

AG Darmstadt (Beschluss vom 08.06.2023; Aktenzeichen 53 F 934/23 VKH1)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Das Verfahren wird zur erneuten Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe an das Amtsgericht mit der Maßgabe zurückverwiesen, dass Verfahrenskostenhilfe wegen Mutwilligkeit nicht vollständig verweigert werden darf, sondern unter Ausschluss der bereits in dem Verfahren ... entstandenen und aus der Staatskasse der Antragstellerin verauslagten Rechtsanwaltsgebühren sowie der bereits entstandenen allgemeinen Verfahrensgebühr des Gerichts zu bewilligen ist, soweit die Antragstellerin bedürftig ist.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin begehrt mit Schriftsatz vom 17.05.2023 Verfahrenskostenhilfe für ein erneutes Scheidungsverfahren.

Unter dem Aktenzeichen ... hatte sie bereits am 25.05.2022 einen Scheidungsantrag bei dem Amtsgericht gestellt, den sie mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 24.03.2023 zurückgenommen hat. Für diese Verfahren war der Antragstellerin bereits Verfahrenskostenhilfe bewilligt und ihr jetziger Verfahrensbevollmächtigter beigeordnet worden. Die Rücknahme wurde ohne Begründung erklärt. Eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft bzw. ein Aussöhnungsversuch haben nicht stattgefunden.

Mit dem angefochtenen Beschluss, der der Antragstellerin am 09.06.2023 zugestellt worden ist, hat das Amtsgericht das Verfahrenskostenhilfegesuch der Antragstellerin mit der Begründung zurückgewiesen, der Antrag sei mutwillig. Der Scheidungsantrag im Verfahren ... sei mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 24.03.2023 zurückgenommen und abgerechnet worden. Für das nur wenige Wochen später eingeleitete Scheidungsverfahren habe der Steuerzahler nicht erneut aufzukommen, weil es keinen Grund gegeben habe, den Scheidungsantrag zurückzunehmen, um sodann in unmittelbarer zeitlichen Nähe hierzu einen neuen gebührenauslösenden Scheidungsantrag zu stellen. Eine Versöhnung als rechtfertigender Grund habe nicht im Raum gestanden.

Mit der am 22.06.2022 eingegangenen sofortigen Beschwerde macht die Antragstellerin geltend, dass allenfalls die Rücknahme des Antrags trotz fortbestehenden Scheidungswunschs mutwillig gewesen sein könnte. Die Rücknahme sei ohne anwaltliche Beratung nach schriftlicher Bitte der Antragstellerin erfolgt. Der Rücknahmeentschluss habe auf dem zögerlichen Fortgang des Scheidungsverfahrens und der fehlenden Mitwirkung des Antragsgegners im Versorgungsausgleichsverfahren beruht. Zwar sei am 13.09.2022 ein Zwangsgeld gegen den Antragsgegner verhängt worden, das Gericht habe aber erst nach 5 Monaten Stillstand bei der Gerichtsvollzieherin nach dem Sachstand angefragt.

Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die gemäß § 113 Abs. 1 FamFG und §§ 127 Abs. 2 S. 2 ZPO, 567 ff. ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist in der Sache auch teilweise begründet und hat den aus dem Tenor ersichtlichen vorläufigen Erfolg.

Das Amtsgericht hat die beabsichtigte Rechtsverfolgung zu Recht gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, § 114 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO als mutwillig bewertet.

Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 114 Abs. 2 ZPO ist eine Rechtsverfolgung mutwillig, wenn ein Beteiligter, der keine Verfahrenskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung absehen würde, obwohl eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht. Mutwillig ist die Rechtsverfolgung dann, wenn ein verständiger Beteiligter, der den Rechtsstreit auf eigene Kosten finanzieren muss, von der Prozessführung absehen oder sie nicht in gleicher Weise vornehmen würde (BVerfGE 81, 347; BVerfG NJW 2010, 988; BGH NJW 2005, 1497 m. w. N.). Lässt sich das angestrebte Ziel einfacher und kostengünstiger erreichen, so kann die Prozesskostenhilfe wegen Mutwilligkeit nicht für die Wahl des kostspieligeren Wegs bewilligt werden (BeckOK ZPO/Reichling, 48. Edition, 01.03.2023, ZPO § 114 Rn. 43, 43.1). Mutwille liegt unter Berücksichtigung dieses Maßstabs auch dann vor, wenn eine Klage, für die bereits Prozesskostenhilfe bew...

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