Entscheidungsstichwort (Thema)

Richterablehnung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit durch Verletzung der zivilprozessualen Prozessförderungspflicht.

 

Normenkette

ZPO §§ 42-43

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-20 O 350/04)

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist nicht begründet. Das LG hat die Ablehnung der Vorsitzenden Richterin am LG A wegen der Besorgnis der Befangenheit zu Recht als unbegründet zurückgewiesen. Die von der Klägerin geltend gemachten Ablehnungsgründe können von ihrem Standpunkt aus bei vernünftiger Betrachtung nicht die Befürchtung wecken, die Richterin stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber.

Insbesondere ergibt sich ein Ablehnungsgrund nicht aus dem von der Klägerin erhobenen Vorwurf der Verletzung der zivilprozessualen Prozessförderungspflicht. Allerdings kann sich durch eine Häufung von Verfahrensfehlern zum Nachteil einer Partei bei einer vernünftigen und besonnenen Partei der Eindruck unsachlicher Einstellung oder willkürlichen Verhaltens des abgelehnten Richters ergeben. Hierzu zählt auch die Verletzung der zivilprozessualen Prozessförderungspflicht durch auffällige und hartnäckige Verzögerung der Bearbeitung (MünchKomm/Gehrlein, 3. Aufl., ZPO § 42; Zöller/Vollkommer, 26. Aufl., ZPO § 42 Rz. 24, jeweils mit weiteren Nachweisen). Hingegen scheiden Handlungen, die als verfahrensrechtlich vertretbare Prozessleitung anzusehen sind, als Ablehnungsgrund aus (MünchKomm/Gehrlein, a.a.O., Rz. 29). Nach diesem rechtlichen Maßstab ist eine die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigende Verletzung der Prozessförderungspflicht durch die abgelehnte Richterin indes zu verneinen.

In die Beurteilung einzubeziehen ist die verfahrensrechtliche Prozessleitung durch die abgelehnte Richterin seit Übergang der Zuständigkeit auf sie Anfang 2007. Wenn das Verhalten der Richterin bis zur mündlichen Verhandlung am 27.9.2007 auch für sich betrachtet gem. § 43 ZPO nicht mehr als Ablehnungsgrund geltend gemacht werden kann, so ist es gleichwohl in die Beurteilung einzubeziehen. Dabei kann offen bleiben, ob sich die prozessuale Verfahrensleitung in dem Zeitraum vor der Antragstellung in der mündlichen Verhandlung am 27.9.2007 bis zur Anbringung des Ablehnungsgesuchs als "Gesamttatbestand" darstellt. Denn die für die Zeit nach dem 27.9.2007 geltend gemachten Verletzungen der Prozessförderungspflicht sind in ihrer Bedeutung für die Frage einer unsachlichen Einstellung oder willkürlichen Verhaltens der Richterin jedenfalls im Lichte der vor der mündlichen Verhandlung liegenden Verfahrensleitung zu würdigen.

Es ist nicht zu beanstanden, dass die Richterin nach der Übernahme des Dezernats Anfang 2007 nicht ohne weiteres den Beweisbeschluss vom 21.12.2006 ausführte, sondern sich zunächst einen eigenen Überblick über den Sach- und Streitstand verschaffte und im Anschluss daran bis zur 3. Kalenderwoche im März 2007 über die Prozessbevollmächtigten der Parteien fernmündlich Informationen über die Möglichkeit eines Vergleichsschlusses einholte. Es erscheint ferner gut vertretbar, dass die abgelehnte Richterin in der Folgezeit einen - für sie ersten, für die Parteien erneuten - Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumte, da sie ausweislich des Verhandlungsprotokolles Anlass zur Erteilung zahlreicher weiterer Hinweise sah. Zwar ist für den Zeitraum von Mitte/Ende März 2007 bis zur Anberaumung des Verhandlungstermines durch Verfügung vom 16.7.2007 eine Maßnahme zur Förderung des Verfahrensfortgangs nicht ersichtlich. Diesem Umstand kommt aber deshalb eher geringe Bedeutung zu, weil mit der Terminsverfügung vom 16.7.2007 zeitnah ein Verhandlungstermin anberaumt wurde und kein Anhaltspunkt dafür vorliegt, dass die frühere Anberaumung eines Verhandlungstermines auch einen früheren Terminstag ermöglicht hätte. Danach ist die verfahrensrechtliche Prozessleitung der abgelehnten Richterin jedenfalls vertretbar und damit ungeeignet, die Besorgnis der Befangenheit wegen mangelhafter Prozessförderung zu begründen.

Verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden ist ferner, dass die abgelehnte Richterin durch Beschluss vom 27.9.2007 den Parteien Gelegenheit gab, bis zum 25.10.2007 zu den erteilten Hinweisen Stellung zu nehmen. Es wurde zwar verkannt, dass mit Rücksicht darauf, dass die Äußerungsfrist allen Parteien gewährt wurde, der Übergang in das schriftliche Verfahren vollzogen wurde. Das war ohne Zustimmung der Parteien unzulässig. Bei Versagung der Zustimmung hätte ein neuer Verhandlungstermin anberaumt werden müssen. Aus diesem Verfahrensfehler folgt aber keine Verzögerung des Fortganges des Rechtsstreits. Er wirkt sich auch für die Klägerin nicht anders als für die Beklagten aus.

Ferner ist der am 22.11.2007 verkündete Beschluss unter dem Gesichtspunkt der verfahrensrechtlichen Prozessleitung - abgesehen von dem fehlenden Einverständnis der Parteien zum Erlass einer weiteren Entscheidung ohne erneute mündliche Verhandlung - vertret...

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