Leitsatz (amtlich)

Wird den sorgeberechtigten Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihr fremduntergebrachtes Kind entzogen, umfasst dies nicht den Entzug ihres Umgangsbestimmungsrechts. Voraussetzung eines gesonderten Entzugs des Umgangsbestimmungsrechts und dessen Übertragung auf einen Ergänzungspfleger ist, dass konkret zu befürchten ist, dass die Eltern ihr Umgangsbestimmungsrecht in einer Art und Weise wahrnehmen, die mit einer Gefährdung des Kindeswohls verbunden wäre.

 

Normenkette

BGB §§ 1666, 1666a, 1696, 1684

 

Verfahrensgang

AG Alsfeld (Beschluss vom 22.07.2014; Aktenzeichen 21 F 220/14)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 06.07.2016; Aktenzeichen XII ZB 47/15)

 

Tenor

Die angefochtene Entscheidung wird abgeändert. Zusätzlich zu den vom AG entzogenen Teilbereichen wird den Eltern auch das Recht zur Regelung des Umgangs mit dem betroffenen Kind entzogen. Auch insoweit wird Frau W. zur Pflegerin bestellt. Sie übt ihr Amt berufsmäßig aus.

Im Übrigen wird die Beschwerde auf Kosten der Beschwerdeführer zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Verfahrenswert wird für den zweiten Rechtszug festgesetzt auf 3.000 EUR.

 

Gründe

I. Die Beschwerdeführer sind die miteinander verheirateten Eltern des hier betroffenen Sohnes D., geb. am 5.8.2008, und seiner Schwester J., geb. am 13.7.2004.

Beiden Eltern wurde wegen der bei ihnen bestehenden intellektuellen Minderbegabung und der daraus resultierenden kognitiven und sozialen Defizite seit 2007 mit einer Unterbrechung von Januar bis August 2010 Hilfe zur Erziehung in Form sozialpädagogischer Familienhilfe gewährt. Im März 2011 wurden beide Kinder wegen des Verdachts einer körperlichen Misshandlung des Kindes J., der sich im weiteren Verlauf des Verfahrens nicht erhärtete, vom Jugendamt erstmals in Obhut genommen und im Kinderheim R. untergebracht. Das AG F. entzog beiden Eltern daraufhin mit einstweiliger Anordnung vom 17.3.2011, 401 F 1110/11 EASO, vorläufig das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitssorge und das Recht zur Beantragung von Hilfen nach dem SGB VIII und bestellte das Jugendamt der Stadt F. insoweit zum Pfleger. Unter dem Aktenzeichen 401 F 1122/11 SO leitete das AG ein Hauptsacheverfahren ein, in welchem ein kinder- und jugendpsychiatrisches Sachverständigengutachten des PD Dr. med. W. vom 5.8.2011 eingeholt wurde, wegen dessen Inhalt auf Bl. 54 ff. der beigezogenen Akte Bezug genommen wird. In der Hauptsacheentscheidung vom 24.11.2011 beschränkte sich das AG auf einen Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts für beide weiterhin im Kinderheim lebenden Kinder und bestellte die am vorliegenden Verfahren beteiligte Pflegerin.

Gegen den Beschluss vom 24.11.2011 legten beide Eltern Beschwerde ein. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens wurde eine vorläufige Rückführung beider Kinder in den Haushalt der Eltern unter der Bedingung vereinbart, dass beide Kinder werktäglich eine Tagesgruppe besuchen und den Eltern eine hochfrequente sozialpädagogische Familienhilfe gewährt wird. Die Familienhilfe des Trägers K. e.V. nahm ihre Arbeit am 10.5.2012 auf; am 11.6.2012 kehrten beide Kinder in den Haushalt der Eltern zurück und besuchten die Tagesgruppe R. der Kommunalen Kinder-, Jugend- und Familienhilfe der Stadt F. D. besuchte die Tagesgruppe zunächst nur halbtags bis 13:30 Uhr, später auch ganztags. Die Familienhilfe war im Monat Juni 2012 zunächst mit 35 Wochenstunden in der Familie eingesetzt, ab Juli 2012 mit 26 Wochenstunden, und zwar montags bis donnerstags von 16 bis 19 Uhr bzw. bis zur Schlafenszeit der Kinder, freitags für ein zweistündiges Elterncoaching und am Wochenende im Rahmen einer Rufbereitschaft. Darüber hinaus begleitete ein Familienhelfer die Eltern bei allen Elterngesprächen in der Tagesgruppe, bei Arzt- und Therapeutenterminen der Kinder sowie bei Behördengängen.

Nachdem das zuständige Jugendamt die Situation beider Kinder im elterlichen Haushalt noch in seiner Stellungnahme vom 7.1.2013 Bl. 301 ff. der beigezogenen Akte, verhalten positiv einschätzte, änderte sich diese Einschätzung im Laufe des Jahres 2013, einhergehend mit einer zunehmenden Ablehnung der gewährten Hilfen durch die Eltern. Ab Januar 2013 kam es zu wiederholten Gefährdungsmeldungen der Familienhilfe und der Tagesgruppe in Bezug auf beide Kinder. Insoweit wird auf die Stellungnahme des Jugendamts vom 7.3.2013, Bl. 315 f. der beigezogenen Akte, und die mit Schreiben des Jugendamts vom 26.3.2013, Bl. 327 ff. der beigezogenen Akte, übersandten Verlaufsberichte und Gefährdungsmeldungen der Familienhelfer und der Leiterin der Tagesgruppe vom 22.3, 25.3. und 26.3.2013 sowie auf den Vermerk der Leiterin der Tagesgruppe vom 18.2.2013, Bl. 191 f. der Akte des vorliegenden Verfahrens, verwiesen. Vor dem Hintergrund der nur eingeschränkten Akzeptanz der gewährten Hilfen durch beide Eltern wies der erkennende Senat die Beschwerde der Eltern gegen den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts mit Beschl. v. 26.4.2013 - 4 UF 392/11, zurück, führte in der Begründung der Entscheidung aller...

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