Leitsatz (amtlich)

Die in § 3a Nr. 1 PflVersG normierte Pflicht des Versicherers oder des Schadenregulierungsbeauftragten zur unverzüglichen Bearbeitung eines Schadensersatzbegehrens gewährt dem geschädigten Dritten keinen klagbaren Anspruch; sie begründet vielmehr eine Obliegenheit des Versicherers oder des Schadensregulierungsbeauftragten, bei deren Verletzung u.a. die in § 3a Nr. 2 PflVersG genannten Nachteile drohen.

 

Normenkette

PflVG § 3a

 

Verfahrensgang

LG Wiesbaden (Beschluss vom 06.05.2009)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 10. Zivilkammer des LG Wiesbaden vom 6.5.2009 abgeändert.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Der Kläger hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Beschwerdewert beträgt bis 4.000 EUR.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist begründet. Nach Klagerücknahme trifft die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen den Kläger (§ 269 Abs. 3 S. 3 ZPO). Denn die Klage war unbegründet.

Der mit der Klage geltend gemachte und auf § 3a PflVersG gestützte Anspruch, die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine mit Gründen versehene Antwort auf die in der vorläufigen Bezifferung des Verkehrsunfallschadens gemäß Schreiben vom 9.6.2008 enthaltenen Darlegungen zu erteilen, stand dem Kläger nicht zu. Es kann offen bleiben, ob das Antwortschreiben der Beklagten vom 25.6.2008 dem Begründungserfordernis für eine Antwort nach § 3a Nr. 1 PflVersG entsprach. Auch wenn man diese Frage verneint, war die Klage unbegründet, denn die in § 3a Nr. 1 PflVersG normierte Pflicht des Versicherers oder des Schadenregulierungsbeauftragten zur unverzüglichen Bearbeitung eines Schadensersatzbegehrens gewährt dem geschädigten Dritten keinen klagbaren Anspruch; sie begründet vielmehr eine Obliegenheit des Versicherers oder des Schadenregulierungsbeauftragten, bei deren Verletzung u.a. die in § 3a Nr. 2 PflVersG genannten Nachteile drohen.

Für die Annahme einer Obliegenheit zur unverzüglichen Bearbeitung gem. § 3a Nr. 1 PflVersG spricht bereits der Wortlaut dieser Vorschrift ("Der Versicherer oder der Schadensregulierungsbeauftragte haben ... unverzüglich ... vorzulegen ... oder ... Antwort ... zu erteilen ...") in Verbindung mit der in § 3a Nr. 2 PflVersG geregelten Sanktion für den Fall, dass das Angebot nicht binnen drei Monaten vorgelegt wird. Für die Qualifizierung der Regelung in § 3a Nr. 1 PflVersG als Obliegenheit spricht ferner, dass sie der Umsetzung von Art. 4 Abs. 6 der Richtlinie 2000/26/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 16.5.2000 dient, wonach die Schadenregulierung durch die Festlegung von Bearbeitungsfristen beschleunigt werden sollte und deren Einhaltung durch Sanktionen abzusichern war (BT-Drucks. 14/8770, 10). Nach der amtlichen Begründung (BT-Drucks. 14/8770, 10, 13, 14) setzt § 3a Nr. 1 PflVersG die Forderung der 4. Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinie um, dass eine begründete Antwort innerhalb einer Frist von 3 Monaten ab Eingang des Schadensersatzantrags zu erteilen ist, ohne aber etwas daran zu ändern, dass die Versicherung wie bisher den Schadensfall ohne schuldhaftes Zögern zu bearbeiten hat. Die in der genannten Richtlinie geforderte Sanktion für den Fall der Nichteinhaltung der Frist von 3 Monaten ist die Verzinsung der Ansprüche nach § 3a Nr. 2 PflVersG; darüber hinaus gehende Sanktionen sind aufsichtsrechtlich nach § 87 VAG möglich. Die Schaffung eines Sonderrechtes für Verkehrsunfallopfer sollte soweit wie möglich vermieden werden. Das danach vom Gesetzgeber nicht gewollte Sonderrecht für Verkehrsunfallopfer würde aber bestehen, wenn man gerade und nur ihnen einen durchsetzbaren Anspruch auf eine substantiiert begründete Beantwortung eines Schadensersatzantrages zubilligen würde.

Auch in der Literatur wird - soweit ersichtlich - nicht vertreten, dass ein geschädigter Dritter aus § 3a Nr. 1 PflVersG einen durchsetzbaren Anspruch auf Erfüllung und im Fall der Nichterfüllung auf Schadensersatz durchsetzen kann (Langheid in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., PflVersG § 3a Rz. 2; Knappmann in: Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Aufl., § 3a PflVersG Rz. 4; Nissen in: Himmelreich/Halm Handbuch der Kfz-Schadensregulierung, 1. Aufl., S. 1574 Rz. 29; Riedmeyer, Anwaltsblatt 2008, 17, 20; Notthoff, ZfS 2003, 105, 107; Nugel, ZfS 2008, 309, 310).

Da das Rechtsmittel der Beklagten Erfolg hat, hat der Kläger die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§ 91 ZPO). Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde und damit für die Übertragung der Sache an den Senat liegen nicht vor; sie ergeben sich insbesondere nicht schon daraus, dass Rechtsprechung des BGH oder eines OLG zu der hier in Rede stehenden Frage derzeit nicht bekannt ist.

Der Beschwerdewert entspricht dem Kosteninteresse der Beklagten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2278092

NJW 2010, 543

NJW-RR 2010, 98

ZAP 2010, 739

ZAP 2010, 784

DAR 2009, 698

DAR 2010, 89

NZV 2010, 34

NJW-Spezial 20...

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