Leitsatz (amtlich)

  • Die Möglichkeit des Gerichts, einem anderen Beteiligten des (Hauptsache-) Verfahrens nach Maßgabe von § 117 Abs. 2 ZPO die Angaben eines um Verfahrenskostenhilfe nachsuchenden Beteiligten zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zugänglich zu machen, dient ausschließlich der Gewähr der Richtigkeit von Entscheidungen in Bezug auf die Verfahrenskostenhilfe (Anschluss an BGH FamRZ 2015, 1176-1178).
  • Unabhängig davon richtet sich in Familienstreitsachen ein mögliches Einsichtsrecht des anderen Beteiligten nach den §§ 113 I 2 FamFG, 299 II ZPO, wobei er in Bezug auf die Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen als Dritter einzuordnen ist, auch wenn das Hauptsacheverfahren noch nicht beendet ist. Über dieses Recht entscheidet die Justizverwaltung.
 

Normenkette

ZPO § 117 Abs. 2, § 299; EGGVG §§ 23, 30

 

Verfahrensgang

AG Wetzlar (Beschluss vom 05.08.2015; Aktenzeichen 614 F 127/15)

 

Tenor

Es wird deklaratorisch festgestellt, dass der Beschluss des AG - Familiengericht - Wetzlar vom 05.08.2015, Az. 614 F 127/15 (VKH) gegenstandslos ist.

 

Gründe

1. Mit Schriftsatz vom 03.02.2015 beantragte die Antragstellerin beim AG die Scheidung einer von ihr am 21.12.2001 eingegangenen Ehe; dieser Antrag wurde dem Ehemann am 26.03.2015 zugestellt.

Am 30.03.2015 beantragte die Antragstellerin für dieses Scheidungsverfahren die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und übersandte hierzu dem AG eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen, die das AG in ein Sonderheft Verfahrenskostenhilfe aufnahm. Am 22.06.2015 bewilligte das AG der Antragstellerin diese Verfahrenskostenhilfe.

Am 08.07.2015 beantragte der Ehemann beim AG Akteneinsicht in die "Beiakte bezüglich der Verfahrenskostenhilfe der Antragsgegnerin" und verwies auf einen gegen diese gerichteten Auskunftsanspruch nach den §§ 1361 IV 4, 1605 BGB. Am 20.07.2015 widersprach die Antragstellerin. Am 29.07.2015 stellte der Ehemann seinen Antrag dahingehend klar, dass sich das Einsichtsgesuch auf die Beiakte Verfahrenskostenhilfe für die Antragstellerin (des Ehescheidungsverfahrens) beziehe.

Mit Beschluss des AG - Familiengericht - vom 05.08.2015 zu Az. 614 F 127/15 (VKH), getroffen von dem für das Scheidungsverfahren geschäftsverteilungsplanmäßig zuständigen Richter des AG wurde die begehrte Akteneinsicht bewilligt. Diese Entscheidung wurde der Antragstellerin am 19.08.2015 zugestellt. Hiergegen richtet sich das als Beschwerde bezeichnete und am 20.08.2015 beim AG und - nach Nichtabhilfe seitens des AG vom 11.09.2015 - am 18.09.2015 beim Senat eingegangene Rechtsmittel der Antragstellerin, mit der sie die Abwehr der Akteneinsicht durch ihren Ehemann verfolgte.

Am 23.09.2015 wies der Senatsberichterstatter darauf hin, dass das Rechtsmittel der Antragstellerin als Antrag nach den §§ 23 ff. EGGVG auszulegen und zu behandeln sein dürfte; dieser Einschätzung schloss sich die Antragstellerin am 28.09.2015 an. Mit Verfügung des Senatsberichterstatters vom 30.09.2015 wurde das Land Hessen als Antragsgegner am Verfahren beteiligt, das am 08.10.2015 ausführte, dem Antrag nicht entgegentreten zu wollen.

Bereits mit Schreiben vom 07.10.2015 hatte der Ehemann gegenüber dem AG erklärt, sein Einsichtsgesuch zurückzunehmen.

Im Hinblick hierauf erklärten die Beteiligten vorliegendes Verfahren für erledigt; die Antragstellerin sieht eine Kostentragungslast des Antragsgegners, der hierzu mit Blick auf § 30 EGGVG anderer Ansicht ist.

2. Nachdem die Beteiligten durch übereinstimmende Erklärungen vom 19. und 26.10.2015 zu erkennen gegeben haben, dass die an einer Sachentscheidung des Senats kein Interesse mehr haben, Umkehrschluss aus § 29 III EGGVG i.V.m. §§ 69 III, 22 III FamFG, war einerseits klarstellend festzustellen, dass der Beschluss des AG - Familiengericht - Wetzlar vom 05.08.2015 infolge der am 07.10.2015 vom Ehemann der Antragstellerin erklärten Rücknahme seines Akteneinsichtsgesuchs gegenstandslos ist und andererseits nach Maßgabe von § 30 EGGVG darüber zu befinden, ob die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin der Staatskasse aufzuerlegen sind. Letzteres führt nicht zu einer entsprechenden Erstattungsanordnung.

Im Einzelnen:

Der Senat war entsprechend BGH FamRZ 2015, 1176-1178 gehalten, das Rechtsmittel der Antragstellerin vom 19.08.2015 als Antrag auf gerichtliche Entscheidung im Sinne der §§ 23 ff. EGGVG zu behandeln, weil a) das mögliche Akteneinsichtsrecht eines Beteiligten des Hauptsacheverfahrens in die für die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe geführten Sonderakten eines anderen Beteiligten des Hauptsacheverfahrens sich nach den §§ 113 I 2 FamFG, 299 II ZPO richtet, soweit das Hauptsacheverfahren eine Ehesache (wie hier) oder eine Familienstreitsache ist, b) der Einsicht begehrende Beteiligte folglich als Dritter im Sinne dieser Vorschriften aufzufassen ist (BGH a.a.O., Rz 12), c) mithin eine Justizverwaltungssache vorliegt, die der gerichtlichen Überprüfung nach den §§ 23 ff. EGGVG unterlieg...

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