Leitsatz (amtlich)

Nach §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 115 Abs. 1 S. 2 ZPO gehören zum Einkommen sowohl das Transformationsgeld nach dem TV T-ZUG für die Metall- und Elektroindustrie als auch (entgegen OLG München FamRZ 2023, 1727) die Inflationsausgleichsprämie, jeweils umgelegt mit 1/12 beim durchschnittlichen mtl. Nettoeinkommen.

Die Bezugnahme des § 115 Abs. 1 S. 2 ZPO auf den sozialrechtlichen Einkommensbegriff knüpft spezifisch an die Regelungen des SGB XII und nicht an das Bürgergeld an.

Eine (auch nur entsprechende) Anwendung von § 83 Abs. 1 SGB XII auf die Inflationsausgleichsprämie kommt nicht in Betracht.

 

Normenkette

FamFG § 113 Abs. 1 S. 2; SGB II § 11a; SGB XII §§ 82-83; ZPO § 115 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

AG Wetzlar (Aktenzeichen 617 F 458/23 VKH1)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird wie folgt abgeändert:

Der Antragstellerin wird für die erste Instanz Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... bewilligt.

Auf die Verfahrenskosten hat die Antragstellerin ab Februar 2024 monatliche Raten von ... Euro zu zahlen.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

Hinsichtlich der Modalitäten der Ratenzahlung erhält die Antragstellerin eine gesonderte Zahlungsaufforderung der Gerichtskasse.

Von der Erhebung der Festgebühr nach Ziffer 1912 KV FamGKG für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen.

Die Rechtsbeschwerde ist zugelassen.

 

Gründe

I. Mit der am 01.08.2023 beim Amtsgericht per beA eingegangenen sofortigen Beschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen die mit Beschluss vom 26.07.2023 ausgesprochene Versagung von Verfahrenskostenhilfe für ein auf ihren Antrag hin geführtes Scheidungsverfahren. Zur Begründung der Versagung führte das Amtsgericht aus, dass aus dem um die Freibeträge für Erwerbstätige und für den eigenen Lebensunterhalt sowie um die geltend gemachten Wohnkosten bereinigten durchschnittlichen Monatsnettoeinkommen der Antragstellerin einschließlich des von ihr vereinnahmten Unterhalts monatliche Raten in einer Höhe zu entrichten wären, die summiert auf vier Monate die voraussichtlichen Verfahrenskosten nicht übersteigen (§§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 115 Abs. 4 ZPO). Das geltend gemachte Darlehen der X-Bank könne nicht berücksichtigt werden, da nicht nachgewiesen sei, dass die im Trennungsjahr und damit in Ansehung des bevorstehenden Scheidungsverfahrens aufgenommene Darlehensverbindlichkeit zwingend erforderlich gewesen sei.

Mit ihrer sofortigen Beschwerde hat die Antragstellerin geltend gemacht, dass ihr Nettoeinkommen für April 2023 unter dem vom Amtsgericht errechneten Durchschnittseinkommen liege. Zudem erhalte sie nur noch ... Euro an Unterhalt. Ferner hat sie (nochmals) den Darlehensvertrag mit der X-Bank vorgelegt.

Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat vorgelegt. Im Beschwerdeverfahren hat die Antragstellerin ihre Gehaltsabrechnungen für Januar bis April 2023 zur Akte gereicht. Sie ist der Ansicht, dass bei der Berechnung ihres durchschnittlichen Einkommens das einmalig im Februar ausgezahlte tarifliche Transformationsgeld nicht zu berücksichtigen sei; ihr monatliches Nettoeinkommen liege damit um 1.500,- Euro niedriger als in der Gehaltsabrechnung Februar 2023 ausgewiesen. Zudem trägt sie vor, dass das X-Bank-Darlehen von ihr noch zum 15.01.2024 bedient werde und zur Anschaffung von Einrichtungsgegenständen für das Wohnzimmer aufgenommen worden sei, nachdem zwischen den Ehegatten vereinbart worden sei, dass der Antragsgegner die Wohnzimmermöbel übernehme.

II. Die gem. §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2, 567 ff. ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist im Umfang der Beschlussformel begründet.

Die Voraussetzungen der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe unter Anordnung einer Ratenzahlungsverpflichtung liegen vor.

Auf der Grundlage der in der Beschwerdeinstanz vorgelegten Gehaltsnachweise sowie der erläuternd vorgenommenen Angaben der Antragstellerin ist von der Kostenarmut der Antragstellerin dergestalt auszugehen, dass sie die Kosten der Verfahrensführung nur zum Teil, nämlich in Höhe der angeordneten Ratenzahlung, aufbringen kann (§§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 114, 115 Abs. 2 ZPO).

Für die Bemessung des Umfangs der Bedürftigkeit ist auf das von der Antragstellerin mittels Vorlage von Gehaltsnachweisen glaubhaft gemachte durchschnittliche Nettoeinkommen im Jahr 2023 abzustellen. Ausweislich der vorgelegten Gehaltsabrechnungen für die Monate Januar bis April einschließlich ist dabei von einem durchschnittlichen Monatsnettoeinkommen von ... Euro auszugehen. Soweit sich das Einkommen im Monat Februar 2023 auch aus einem Transformationsgeld von 625,89 Euro und einer Inflationsausgleichsprämie von 1.500,- Euro zusammensetzt, sind allerdings entgegen der Ansicht der Antragstellerin beide Gehaltsbestandteile bei der Einkommensberechnung als Arbeitseinkommen zu berücksichtigen. Nach §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 115 Abs. 1 S. 2 ZPO gehöre...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge