Leitsatz (amtlich)

Eine sofortige Beschwerde, die durch einen Rechtsanwalt nach dem 01.01.2022 eingelegt wird, muss auch in Familiensachen, die keine Familienstreitsachen sind, elektronisch übermittelt werden, um die Beschwerdefrist zu wahren.

 

Normenkette

FamFG § 6 Abs. 2, § 14b Abs. 1-2, § 17 Abs. 2; ZPO §§ 130d, 569

 

Verfahrensgang

AG Gießen (Aktenzeichen 240 F 111/19 SO)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 31.05.2023; Aktenzeichen XII ZB 124/22)

 

Tenor

Der Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers vom 01.03.2022 wird zurückgewiesen.

Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Gießen vom 17.12.2021 wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beschwerdeführer zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch des Antragstellers.

In dem im Januar 2019 eingeleiteten Sorgerechtsverfahren erließ das Amtsgericht - Familiengericht - nach Anhörung der Kinder und der Beteiligten am 26.2.2019 einen Beweisbeschluss, wonach ein Sachverständigengutachten eingeholt werden solle. Zum Sachverständigen wurde Herr Dipl. Psych. ... bestellt.

Dieser fertigte am 21.5.2019 im Laufe der Begutachtung eine gutachterliche Stellungnahme, mit welcher er aufgrund der bisherigen Ergebnisse der familienpsychologischen Untersuchungen wegen akuter Kindeswohlgefährdung eine Fremdunterbringung der Kinder anregte. Es kam zum Erlass einer entsprechenden einstweiligen Anordnung. Die Beschwerden der Kindeseltern hiergegen wurden im Termin vom 7.11.2019 vor dem Beschwerdegericht zurückgenommen.

Das Familiengericht weitete unterdessen die Begutachtung aus und der Sachverständige erstattete im Dezember 2019 sein schriftliches Gutachten.

Wegen Erkrankung der Kindesmutter, dann wegen Erkrankung des Kindesvaters und schließlich wegen Verhinderung des Sachverständigen mussten die anberaumten Erörterungstermine immer wieder verlegt werden. Ein schließlich für den 6. 8. 2020 vorgesehener Erörterungstermin musste aufgehoben werden, da der damals zuständige Richter vom Kindesvater wegen Befangenheit abgelehnt wurde.

Ferner wurde mit Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten des Kindesvaters vom 11.08.2020 ein Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen angebracht. Das Ablehnungsgesuch wird damit begründet, dass ... (wird ausgeführt)

Mit Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Gießen vom 24. 11. 2020 wurden die Ablehnungsgesuche des Kindesvaters gegen den damals zuständigen Richter als unbegründet zurückgewiesen. Eine hiergegen vom Kindesvater eingelegte sofortige Beschwerde wurde im April 2021 zurückgenommen, nachdem durch eine Änderung der Geschäftsverteilung der abgelehnte Richter nicht mehr zuständig war.

Die inzwischen zuständig gewordene Richterin am Amtsgericht ... hat mit Beschluss vom 2.9.2021 die Ablehnung des Sachverständigen durch den Kindesvater zurückgewiesen. Es lägen keine objektiven Gründe vor, die bei vernünftiger Betrachtung Anlass geben könnten, Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen zu hegen ... (wird ausgeführt).

Der Beschluss wurde der Verfahrensbevollmächtigten des Kindesvaters am 20.09.2021 zugestellt.

Gegen diesen Beschluss hat der Kindesvater durch seine Verfahrensbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 4.10.2021 sofortige Beschwerde eingelegt. Ferner hat er mit weiterem Schriftsatz vom 4.10.2021 die Richterin am Amtsgericht ... wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Dieses Ablehnungsgesuch wird damit begründet, dass ... (wird ausgeführt).

Mit Beschluss des Amtsgerichts Gießen vom 17.12.2021 wurde das Ablehnungsgesuch des Kindesvaters gegen Richterin am Amtsgericht ... als unbegründet zurückgewiesen. Die Entscheidung über das Befangenheitsgesuch gegen den Sachverständigen sei weder falsch noch lasse sie eine willkürliche Benachteiligung des Kindesvaters erkennen ... (wird ausgeführt).

Dieser Beschluss wurde der Verfahrensbevollmächtigten des Kindesvaters am 28.12.2021 zugestellt.

Am 11.01.2022 hat der Kindesvater durch seine Verfahrensbevollmächtigte gegen diesen Beschluss sofortige Beschwerde eingelegt. Die Einlegung erfolgte per Telefax und mit normalem Brief. Er macht mit der Beschwerde geltend, nicht die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch betreffend den Sachverständigen, sondern das hierdurch zutage tretende mangelnde Interesse der Richterin an der Wahrheitsfindung sei der Befangenheitsgrund.

Nachdem die Verfahrensbevollmächtigte des Kindesvaters mit Verfügung des Vorsitzenden vom 16.02.2022 darauf hingewiesen wurde, dass die sofortige Beschwerde unzulässig sein dürfte, da sie nicht elektronisch übermittelt wurde, hat diese am 17.02.2022 die sofortige Beschwerde elektronisch übermittelt. Mit Schriftsatz vom 01.03.2022 hat sie beantragt, dem Kindesvater wegen Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Rechtsbehelfsbelehrung zu dem Beschluss vom 17.12.2021 habe nicht darauf hingewiesen, dass ab ...

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