Entscheidungsstichwort (Thema)

Arzthaftungsverfahren: Ablehnung des zahnmedizinischen Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit

 

Leitsatz (amtlich)

Die Wortwahl des Sachverständigen darf - gerade in Arzthaftungsfällen - deutlich sein, damit die Sachaussagen verstanden werden. Hinsichtlich der Art und Weise der Formulierung muss einem Sachverständigen daher ein gewisser Spielraum zugebilligt werden. Gleichwohl darf die Wortwahl des Sachverständigen nicht in eine beleidigende Herabsetzung einer Partei abgleiten.

 

Normenkette

ZPO § 406 Abs. 1, § 42 Abs. 2, § 418 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 16.03.2016; Aktenzeichen 2-14 O 184/11)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Beklagten und Beschwerdeführers gegen den Beschluss der 14. Zivilkammer des LG Frankfurt am Main vom 16.3.2016 in Verbindung mit dem Beschluss vom 9.5.2016 über die Nichtabhilfe wird zurückgewiesen.

Der Beklagte und Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf EUR 12.310,02 festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdegegner (im Folgenden: der Kläger) nimmt den Beklagten und Beschwerdeführer (im Folgenden: den Beklagten) mit dem Vorwurf einer fehlerhaften zahnärztlichen Behandlung in Anspruch.

Das LG hat auf der Grundlage des Beweisbeschlusses vom 26.1.2012 (Bl. 123 ff. d.A.) Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, das der Sachverständige A - gemeinsam mit dem Oberarzt C - unter dem 4.9.2013 (Bl. 202 ff. d.A.) vorgelegt hat. Mit Beschluss vom 15.10.2014 (Bl. 305 ff. d.A.) hat das LG bei dem Sachverständigen ein Ergänzungsgutachten in Auftrag gegeben. Nachdem der Sachverständige das Ergänzungsgutachten unter dem 18.3.2015 (Bl. 316 ff. d.A.) vorgelegt und die Parteien dazu Stellung genommen hatten, hat das LG den Sachverständigen sodann zur Erläuterung seines Gutachtens geladen.

In diesem Termin am 11.2.2016 hat der Sachverständige u.a. geäußert:

"Zu der Operation vom ... 2008 möchte ich noch sagen, dass es nicht sein kann, dass bei einer so umfangreichen Operation, wie sie hier durchgeführt worden ist, es keinen Operationsbericht und keine schriftlichen Aufzeichnungen zu den verwendeten Materialien gibt. In den späteren Briefen an die Nachbehandler gibt es dazu ja Angaben. Es muss etwas geben, das mir nicht zur Verfügung gestellt worden ist, weil es nicht in den Akten war (S. 2 des Protokolls vom 11.2.2016, Bl. 355 d.A.).

Der Beklagte hat daraufhin beantragt, den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Der Beklagte macht geltend, der Sachverständige drücke mit der zitierten Äußerung seine Ablehnung gegen den Beklagten aus. Es werde unterstellt, dass der Beklagte seine Behandlungsunterlagen nicht vollständig herausgegeben habe. Zugleich liege in der Behauptung die Unterstellung, dass der Beklagte in Bezug auf die Dokumentation und den Behandlungsverlauf manipuliert und dementsprechend versucht habe, das Verfahren zu beeinflussen.

Auch die Annahme des Sachverständigen, dass für ihn nicht denkbar sei, dass im vorliegenden Behandlungsfall kein OP-Bericht vorliege - dessen Abfassung weder gesetzlich vorgeschrieben noch nach den berufsrechtlichen Regeln der Zahnärzte zwingend erforderlich sei - lasse die Befürchtung zu, dass der Sachverständige nicht unbefangen und vorurteilsfrei gegenüber dem Beklagten sei.

Wegen der näheren Einzelheiten des Befangenheitsgesuchs wird auf die Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.2.2016 (Bl. 358a f.) sowie auf den Anwaltsschriftsatz vom 15.2.2016 Bezug genommen (Bl. 360 ff. d.A.).

Das LG hat mit dem angegriffenen Beschluss vom 16.3.2016 das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen (Bl. 363 ff. d.A.). Ein Grund zur Besorgnis der Befangenheit liege nicht vor.

Soweit der Sachverständige das Fehlen eines Operationsberichts beanstande, entspreche es der Erfahrung der Kammer aus zahlreichen Verfahren, dass bei chirurgischen Eingriffen zumindest einer gewissen Größenordnung regelmäßig ein Operationsbericht erstellt werde, so dass es "objektiv nicht auffällig" sei, dass der Sachverständige dessen Fehlen beanstande. Überdies gehe auch der Beklagte selbst davon aus, dass ein Operationsbericht vom ... 2008 vorhanden sei, da er dessen Fehlen auf S. 9 der Klageerwiderung (BI. 80 d.A.) bestreite. Insoweit stehe auch die Äußerung des Sachverständigen, es könne nicht sein, dass kein OP-Bericht vorhanden sei, in Einklang mit dem Akteninhalt. Ein abfälliges oder voreingenommenes Verhalten des Sachverständigen ergebe sich aus dem Inhalt der Äußerung nicht. Auch die Wortwahl sei neutral und enthalte schon keine spitzen oder abwertenden Formulierungen.

Eine abwertende Einstellung des Sachverständigen gegenüber dem Beklagten ergebe sich auch nicht aus dessen Äußerung, es müsse etwas geben, was nicht in den Akten gewesen sei. Diese Formulierung enthalte in keiner Weise den Vorwurf eines vorsätzlichen Verhaltens gegenüber dem Beklagten, sondern lediglich eine Feststellung, dass der Sachverständige auf Grund konkreter ...

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