Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindesunterhalt: Abweichungen vom Residenzmodell

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die auf dem Residenzmodell beruhende und § 1606 Abs. 3 BGB tragende gesetzliche Beurteilung ist solange nicht in Frage zu stellen, wie das deutliche Schwergewicht der Betreuung bei einem Elternteil liegt. Denn dann ist die Annahme gerechtfertigt, dass dieser Elternteil die Hauptverantwortung für das Kind trägt und dadurch den Betreuungsunterhalt leistet, während der andere Elternteil - auf der Grundlage nur seiner eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse - zum Barunterhalt verpflichtet ist.

2. Deshalb ändert sich an der aus dem Schwergewicht der Betreuung durch einen Elternteil folgenden Aufteilung zwischen Bar- und Betreuungsunterhalt nichts, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil seinerseits Betreuungs- und Versorgungsleistungen erbringt, selbst wenn dies im Rahmen eines über das übliche Maß hinaus wahrgenommenen Umgangsrechts erfolgt, dessen Ausgestaltung sich bereits einer Mitbetreuung annähert. Wenn und soweit der andere Elternteil gleichwohl die Hauptverantwortung für ein Kind trägt, muss es dabei bleiben, dass dieser Elternteil seine Unterhaltspflicht im Sinne des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB durch die Pflege und Erziehung des Kindes erfüllt.

3. Anders ist es nur zu beurteilen, wenn die Eltern sich in der Betreuung eines Kindes abwechseln, so dass jeder von ihnen etwa die Hälfte der Versorgungs- und Erziehungsaufgaben wahrnimmt.

 

Normenkette

BGB §§ 1601, 1606, 1629

 

Verfahrensgang

AG Marburg (Entscheidung vom 12.02.2016; Aktenzeichen 2 F 510/15)

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragsgegners vom 14. März 2016 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Dillenburg vom 12. Februar 2016 wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird festgesetzt auf 7.614,- Euro.

Die amtsgerichtliche Wertfestsetzung für das erstinstanzliche Verfahren durch Beschluss vom 12. Februar 2015 wird abgeändert und der Wert insoweit festgesetzt auf 8.502,- Euro.

IV. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten um Kindesunterhalt. Der Antragsgegner ist der Vater des derzeit noch ... Jahre alten Antragstellers, der aus der nichtehelichen Beziehung mit der Mutter hervorgegangen ist. Die Eltern üben die elterliche Sorge gemeinsam aus.

Unter dem 3. August 2015 begehrte der Antragsteller bei dem Amtsgericht die Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von Kindesunterhalt. Nach Ansicht der Kindesmutter lebt das Kind der Beteiligten nicht in einem - von ihr auch nicht gewünschten - paritätischen Wechselmodell und der Schwerpunkt der Pflege und Betreuung des Kindes liege bei ihr. Kleidung und Gegenstände des täglichen Bedarfs würden ausschließlich von ihr angeschafft. Sie nehme im Wesentlichen die Arzttermine für das Kind wahr.

Zuletzt hat der Antragsteller erstinstanzlich beantragt,

den Antragsgegner zu verpflichten, an den Antragsteller eine dynamisierte, zum 1. eines jeden Monats im Voraus fällige Unterhaltsrente für die Zeit ab 1.8.2015 in Höhe von 120 % des jeweiligen Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe nach § 1612a BGB zuzüglich der Hälfte des jeweiligen gesetzlichen Kindergeldes für ein erstes Kind sowie

den Antragsgegner zu verpflichten, darüber hinaus einen Unterhaltsrückstand für Februar bis Juli 2015 in Höhe von 1.950,- Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4.9.2015 zu zahlen.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, es bestehe ein paritätisches Wechselmodell für das Kind. Elterngespräche und Arzttermine würden gemeinschaftlich von den Eltern wahrgenommen. Kleidung und Gegenstände für A würden in seinem Haushalt ebenfalls vorgehalten. Ein Schwergewicht der Betreuung bei einem Elternteil lasse sich gerade nicht feststellen.

Das Amtsgericht hat den Antragsgegner in der angegriffenen Entscheidung verpflichtet, an den Antragsteller eine dynamisierte und zum 1. eines Monats fällige Unterhaltsrente für die Zeit ab 1.8.2015 in Höhe von 105 % des jeweiligen Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe nach § 1612a BGB zuzüglich hälftigen Kindergeldes, mithin zur Zeit 499,- Euro sowie einen Unterhaltsrückstand für Februar bis Juli 2015 in Höhe von 1.626,- Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4.9.2015 zu zahlen.

Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit der Beschwerde. Er ist der Ansicht, dass der Mutter zum einen eine gesetzliche Vertretungsbefugnis zur Geltendmachung von Kindesunterhalt nicht zustehe, da das Kind in einem "Wechselmodell" lebe. Überdies bestehe vor diesem Hintergrund auch keine alleinige Barunterhaltsverpflichtung des Antragsgegners.

Er beantragt,

den Beschluss des Familiengerichts dahin abzuändern, dass der Antrag der Antragsteller zurückgewiesen wird.

Der Antragsteller beantra...

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