Entscheidungsstichwort (Thema)

Absehen von Versorgungsausgleich bei Anrecht aus Grundrentenzuschlag für langjährige Versicherung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Teilung eines Anrechts aus einem Grundrentenzuschlag für langjährige Versicherung bringt aufgrund der nach § 97a SGB VI vorzunehmenden Prüfung der Einkommensanrechnung einen nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand mit sich, der im Rahmen der Ermessensausübung nach § 18 Abs. 2 VersAusglG zu berücksichtigen ist.

2. Bei der Ermessensausübung sind auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute einschließlich ihrer Versorgungssituation und die wirtschaftliche Bedeutung eines Ausgleichs einzubeziehen.

3. Ist der Ausgleichsberechtigte auf den Ausgleich eines geringfügigen Anrechts aus einem Grundrentenzuschlag für langjährige Versicherung nicht dringend angewiesen, ist dieses Anrecht regelmäßig nicht auszugleichen.

 

Normenkette

SGB VI § 76g; VersAusglG § 18 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Bad Schwalbach (Beschluss vom 10.05.2023; Aktenzeichen 1 F 395/22 VA)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin und die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin wird der Scheidungsverbundbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Schwalbach vom 10.05.2023, Az. 1 F 395/22 S, im Tenor zum Versorgungsausgleich abgeändert und ergänzt wie folgt:

Hinsichtlich des von der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Vers.-Nr. ...) aus einem Grundrentenzuschlag für langjährige Versicherung in der Ehezeit erworbenen Anrechts unterbleibt der Versorgungsausgleich.

II. Im Übrigen verbleibt es - auch hinsichtlich des Kostenausspruchs - bei der Entscheidung aus dem angefochtenen Beschluss.

III. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

IV. Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird festgesetzt auf 1.014 Euro.

V. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Das Beschwerdeverfahren hat den Ausgleich eines Anrechts bei der gesetzlichen Rentenversicherung aus einem Grundrentenzuschlag für langjährige Versicherung zum Gegenstand.

Mit Scheidungsverbundbeschluss des Amtsgerichts vom 10.05.2023 wurde die Ehe der beteiligten Ehegatten geschieden und der Versorgungsausgleich bezogen auf die Ehezeit vom 01.09.1972 bis zum 31.07.2022 durchgeführt. Dabei wurden unter anderem zu Lasten eines Anrechts der Antragstellerin bei der Beschwerdeführerin im Wege der internen Teilung zu Gunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 10,3035 Entgeltpunkten (korrespondierender Kapitalwert: 74.551,86 Euro) und zu Lasten eines Anrechts des Antragsgegners bei der Beschwerdeführerin im Wege der internen Teilung zu Gunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe von 33,4451 Entgeltpunkten (korrespondierender Kapitalwert: 241.994,90 Euro) übertragen.

Die Antragstellerin hat bei der Beschwerdeführerin ein weiteres Anrecht aus einem Grundrentenzuschlag für langjährige Versicherung in Höhe von 0,5726 Entgeltpunkten mit einem Ausgleichswert von 0,2863 Entgeltpunkten erworben. Dieses Anrecht findet im Scheidungsverbundbeschluss keine Erwähnung.

Die beteiligten Eheleute erhalten beide eine Vollrente wegen Alters. Die monatlichen Renteneinkünfte der Antragstellerin belaufen sich auf ca. 680 Euro netto, diejenigen des Antragsgegners auf ca. 2.700 Euro netto. Nach ihrer Trennung haben die Eheleute ein gemeinsames, nicht mehr durch Finanzierungsverbindlichkeiten belastetes, Immobilienvermögen auseinandergesetzt, welches sie in einer notariellen Vereinbarung vom 22.11.2021 mit einem Verkehrswert von 550.000 Euro angegeben haben.

Gegen den, ihr am 03.07.2023 zugestellten, Scheidungsverbundbeschluss wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer beim Amtsgericht am 14.07.2023 eingegangenen Beschwerde. Sie begründet diese damit, dass das Amtsgericht über das bei ihr begründete Anrecht der Antragstellerin aus einem Grundrentenzuschlag für langjährige Versicherung nicht entschieden habe. Sie beantragt daher, den Versorgungsausgleich gemäß den gesetzlichen Bestimmungen durchzuführen.

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 28.08.2023 beantragt, die Entscheidung des Amtsgerichts dahingehend abzuändern, dass hinsichtlich des vorgenannten Anrechts ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die hier einschlägige Bagatellgrenze des § 18 Abs. 2 VersAusglG unterschritten werde.

Der Berichterstatter hat mit Verfügung vom 19.01.2024 darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtige, das Anrecht der Antragstellerin bei der Beschwerdeführerin aus einem Grundrentenzuschlag für langjährige Versicherung vom Versorgungsausgleich auszunehmen. Die Eheleute haben dem zugestimmt, die Beschwerdeführerin hat binnen nachgelassener Frist nicht mehr Stellung genommen.

II. 1. Die Beschwerde ist gem. §§ 58 ff. FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig.

2. Die Beschwerde und die gem. § 66 S. 1 FamFG erhobene Anschlussbeschwerde der Antragstellerin führen zu der aus...

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