Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Aussetzung des Verfahrens beim Tod einer Prozesspartei

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Falle des Todes eines einfachen Streitgenossen kommt grundsätzlich nur die Aussetzung des Verfahrens diesem gegenüber in Betracht (hier: Gesamtschuldner wegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers).

2. Ob in diesem Fall die Antragsbefugnis gemäß § 246 Abs. 1 ZPO auch eine Gesamtaussetzung des Verfahrens erfassen kann, kann offen bleiben.

 

Normenkette

ZPO §§ 62, 239, 246, 252

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 11.07.2022; Aktenzeichen 2-14 O 438/20)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und klarstellend neu gefasst wie folgt:

Das Verfahren wird in Bezug auf den Beklagten zu 1. ausgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf immateriellen und materiellen Schadensersatz in Anspruch. Darüber hinaus begehrt sie die Feststellung des Ersatzes zukünftiger Schäden, soweit kein gesetzlicher Forderungsübergang erfolgt ist.

Sie hat behauptet, der Beklagte zu 1. habe sie in dem Zeitraum vom 3. September 2015 bis 19. Mai 2017 (grob) fehlerhaft zahnärztlich in regiones 35, 46 und 47 im Zuge der Versorgung mit Implantaten behandelt. Ferner mangele es an einer hinreichenden Risikoaufklärung durch die Beklagte zu 2.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte zu 1. unterliege einer deliktischen und die Beklagte zu 2. (auch) einer vertraglichen Haftung.

Die Beklagten sind dem entgegengetreten. Zudem hat die Beklagte zu 2. dem Beklagten zu 1. den Streit verkündet, was diesen veranlasst hat, auf Seiten der Beklagten zu 2. beizutreten.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines zahnmedizinischen Sachverständigengutachtens, das der beauftragte Sachverständige X am 10. Februar 2022 erstellt hat. Im Zuge der Stellungnahmen zu dem Gutachten haben die Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 1. dessen Ableben am 6. Januar 2022 mitgeteilt und den Antrag gestellt, das Verfahren "im Verhältnis zu ihm" auszusetzen.

Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 2. haben in dem Schriftsatz vom 15. Juni 2022 unter Verweis auf eine Fundstelle in Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 62, Rn. 29, angeregt, das Verfahren insgesamt bis zur Aufnahme durch die Rechtsnachfolger des Beklagten zu 1. "ruhend zu stellen". Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben mit Schriftsatz vom 8. Juli 2022 "...dem im Schriftsatz der Gegenseite vom 15.06.2022 vorgeschlagenen Vorgehen...zugestimmt".

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht das Verfahren insgesamt ausgesetzt und dies (vertiefend in der Nichtabhilfeentscheidung vom 23. September 2022) damit begründet, die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Teilurteils lägen wegen der Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen nicht vor, es läge in der Hand der Klägerin, die Erben des Beklagten zu 1. in Erfahrung zu bringen. Das prozessuale Verhalten der Klägerin sei wegen der Aussetzungsentscheidung widersprüchlich, weil sie der von der Beklagten zu 2. angeregten Aussetzung des gesamten Verfahrens zugestimmt habe.

Hiergegen wendet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin, mit der sie u. a. auf die Schwierigkeiten einer Erbenermittlung und die nicht bestehende Gefahr sich widersprechender Entscheidungen hinweist.

Die Beklagte zu 2. stützt die Entscheidung des Landgerichts.

In dem Beschwerdeverfahren teilen die Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 1. mit, die Witwe und die gemeinsame minderjährige Tochter des Beklagten zu 1. seien aller Voraussicht nach Erben. Ein Erbschein sei für beide Ende September 2022 beantragt worden und bis zur Erteilung würden voraussichtlich noch mehrere Wochen vergehen. Weder die Witwe noch die minderjährige Tochter und der (ausschlagende) volljährige Sohn seien bereit, den Rechtsstreit aufzunehmen.

II. Die sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 246 Abs. 1 ZPO auch in Bezug auf die Beklagte zu 2. kommt nicht in Betracht. Die dahingehenden Erwägungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung überzeugen von Rechts wegen nicht. Der Senat hat daher den angefochtenen Beschluss insgesamt aufgehoben und klarstellend neu gefasst dahin, dass das Verfahren nur in Bezug auf den Beklagten zu 1. ausgesetzt wird.

Es kann dahingestellt bleiben, ob das Landgericht vorliegend überhaupt befugt war, sich über den Antrag des Beklagten zu 1., das Verfahren nur in Bezug auf diesen auszusetzen, hinwegzusetzen. Immerhin unterliegt die Aussetzungsentscheidung gemäß § 246 Abs. 1 ZPO zwingend dem Antragserfordernis und sei es vom Prozessgegner. Soweit überwiegend in den Fällen der notwendigen Streitgenossenschaft nach Maßgabe des § 62 ZPO angenommen wird, es komme zu einer Unterbrechung des gesamten Verfahrens beim Tod eines notwendigen Streitgenossen (vgl. Stadler: Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl., § 239 ZPO, Rn. 3 mwN unter Fn. 22) und in diesen Fällen das Gericht auch ohne Antrag befugt sei, das Verfahren insgesamt auszusetzen ...

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