Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterhalt: Keine Obliegenheitsverletzung des unterhaltspflichtigen Elternteils durch Verlängerung des Bezugszeitraums für Elterngeld

 

Normenkette

BGB § 1603 Abs. 2 S. 1; BEEG §§ 6, 11 S. 4

 

Verfahrensgang

AG Melsungen (Beschluss vom 22.12.2012; Aktenzeichen 53 F 805/12-UK)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Familiengerichts - Melsungen vom 22.12.2012 (Az.: 53 F 805/12 UK) wie folgt abgeändert.

Die Antragstellerin hat ab dem 1.8.2012 in Abänderung der Urkunde des Kreisausschusses A vom 27.2.2008 (Az.:..., Urkundsregisternummer .../2008) folgende Unterhaltsbeträge an den Antragsgegner zu zahlen:

Für die Zeit vom 1.8.2012 bis zum 31.12.2012 monatlich 21 EUR;

für den Monat Mai 2013 133 EUR und

für den Monat Juni 2013 159 EUR,

sowie für die Zeit ab dem Monat Juli 2013 bis zum Monat Dezember 2013 monatlich 272 EUR.

Vom 1.1.2013 bis zum 30 April 2013 sowie für die Zeit ab dem 1.1.2014 wird die oben genannte Urkunde dahin abgeändert, dass kein Unterhalt zu zahlen ist.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Beschluss ist sofort wirksam.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Streitwert für den Beschwerderechtszug wird auf 3.264 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin ist die Mutter des am ... 2005 geborenen Antragsgegners. Vom Vater des Antragsgegners lebt sie seit geraumer Zeit getrennt, das Kind ist in seinem Haushalt verblieben. Mit Jugendamtsurkunde vom 27.2.2008 verpflichtete sich die Antragstellerin, an das Kind 110 % des Mindestunterhaltes zu zahlen. Dieser Pflicht kam sie in der Folgezeit nach. Im Februar 2012 forderte sie den Antragsgegner auf, auf seine Rechte aus dem Titel zu verzichten, weil sie ein weiteres Kind erwarte und nach der Geburt dieses Kindes nicht mehr berufstätig und damit nicht mehr leistungsfähig sein werde. Dem trat der Antragsgegner entgegen. Am ... 2012 wurde ihr Sohn B geboren; im Anschluss an die Mutterschutzzeiten nahm sie Elterngeld in Anspruch. Sie hat sich dafür entschieden, das zunächst insgesamt i.H.v. monatlich 1.082,06 EUR zu berechnenden Elterngeld nicht für einen Zeitraum von 12 Monaten zu beanspruchen, sondern von der in § 6 S. 2 Bundeselterngeldgesetz (BEEG) geregelten Möglichkeit Gebrauch zu machen, den Auszahlungszeitraum auf zwei Jahre zu strecken. Danach erhält sie monatlich 541 EUR Elterngeld und hatte im Übrigen keine eigenen Erwerbseinkünfte.

Die Antragstellerin lebt mit dem Vater ihres am ... 2012 geborenen Kindes zusammen. Er ist Eigentümer einer Eigentumswohnung, die kreditiert ist. Ihr Lebensgefährte zahlt auf die Kredite monatlich 658,17 EUR. Die in ländlichem Gebiet (...) gelegene Vierzimmerwohnung hat eine Wohnfläche von ca. 135 qm. Bei Einkünften i.H.v. monatlich rund 2.018 EUR bringt der Lebensgefährte außerdem 117,17 EUR für eine Riesterrente und 13 EUR Gewerkschaftsbeitrag auf; die Fahrt zur Arbeit (einfache Strecke 17 km) bewältigt er mit dem Pkw.

Am 13.8.2012 stellte die Antragstellerin beim AG Melsungen den Antrag auf Abänderung der Jugendamtsurkunde; sie war der Meinung, dass sie keinen Unterhalt mehr schuldet.

Der Antragsgegner ist der Auffassung, die Antragstellerin sei zur Leistung von Kindesunterhalt in der titulierten Höhe verpflichtet. Sie habe gegenüber dem Vater ihres zweiten Kindes einen Anspruch auf Unterhaltszahlungen. Es sei nicht hinzunehmen, dass ausgerechnet die Antragstellerin die Erziehung des im ... 2012 geborenen B übernimmt. Dies könne gleichwertig auch der Vater tun, während die unterhaltspflichtige Mutter einer Erwerbstätigkeit nachgeht. Im Übrigen habe die Antragstellerin ihre Leistungsunfähigkeit teilweise selbst verursacht, indem sie den Antrag nach § 6 S. 2 BEEG gestellt habe. Man müsse fiktiv davon ausgehen, dass sie diesen Antrag nicht gestellt habe und das volle Elterngeld ausgezahlt erhalte.

Mit Beschluss vom 22.11.2012, auf den zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird (Bl. 98-100 d.A.), hat das AG den Abänderungsantrag weitestgehend zurückgewiesen und nur insoweit eine Abänderung vorgenommen, als die Antragstellerin seit dem Monat August 2012 noch 100 % des Mindestunterhalts für den Antragsgegner schuldet (derzeit 272 EUR). Das AG geht davon aus, dass die Antragstellerin sich so behandeln lassen muss, als sei sie im Bezug des vollständigen Elterngeldes i.H.v. 1.082 EUR. Als der gesteigerten Unterhaltsverpflichtung gem. § 1603 BGB unterliegende Mutter eines minderjährigen Kindes könne sie dem Kind die Gestaltungsmöglichkeit nach § 6 Abs. 2 BEEG nicht entgegenhalten. Elterngeld sei als Lohnersatzleistung zu betrachten. Bei einem Selbstbehalt i.H.v. 770 EUR könne sie den Mindestunterhalt (272 EUR) aufbringen. Eine Privilegierung, wie § 11 S. 4 BEEG sie vorsieht, könnte nicht zu ihren Gunsten gelten, da sie einer gesteigerten Unterhaltspflicht unterliege.

Im Übrigen gelte auch dann, wenn man nicht von dieser Verletzung einer Obliegenheit ausginge, eine Leistungsfähigkeit i.H.v. 272 EUR mon...

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