Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundbuch: Bindung an den Erbschein

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, inwieweit das Grundbuchamt im Grundbuchverfahren nach § 35 GBO an einen Erbschein gebunden ist

 

Normenkette

BGB § 2100; GBO § 35

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Das Grundbuchamt wird angewiesen, den Antrag vom 04.12.2017 nicht aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses zurückzuweisen.

 

Gründe

I. Im betroffenen Grundbuch sind der Antragsteller und seine Ehefrau B in Abt. I, lfd. Nrn. 2a) und b), je zur ideellen Hälfte als Eigentümer eingetragen. B ist am XX.XX.2016 verstorben.

Eingehend am 23.11.2018 hat das Nachlassgericht des Amtsgerichts Stadt1 dem Grundbuchamt eine Ausfertigung des Erbscheins vom 18.10.2017 (Bl. 5/8 d. A.) überreicht, ausweislich dessen B vom Antragsteller alleine beerbt werde. Weiter heißt es in dem Erbschein: "Nacherbfolge ist angeordnet. Sie tritt ein mit der Wiederverheiratung des Vorerben. Der Nacherbe ist - soweit nach § 2136 BGB zulässig - von Verfügungsbeschränkungen befreit." Nacherben sind nach dem Erbschein der Antragsteller und drei weitere Personen, bei denen es sich nach dem hiesigen Grundakteninhalt offensichtlich um die drei Kinder der Eheleute handelt.

Durch Verfügung vom 27.11.2017 (Bl. 5/7 d. A.) hat der Rechtspfleger beim Grundbuchamt das bezeichnete Nachlassgericht um Überprüfung des Erbscheins gebeten, da der alleinige Vorerbe zugleich auch Nacherbe sei; das Nachlassgericht hat hierauf mit Schreiben an das Grundbuchamt vom 06.12.2017 (Bl. 6/4 d. A.) reagiert. Mit Schriftsatz vom 04.12.2017 hat der Verfahrensbevollmächtigte unter Vorlage einer Ausfertigung des Erbscheins vom 18.10.2017 und einer Vollmacht des Antragstellers Grundbuchberichtigung beantragt. Durch weitere Verfügung vom 13.12.2017 (Bl. 6/5 d. A.) hat der Rechtspfleger beim Grundbuchamt das bezeichnete Nachlassgericht unter weiterer Darlegung seiner Rechtsansicht nochmals um Überprüfung des Erbscheins gebeten; das Nachlassgericht hat darauf mit Schreiben an das Grundbuchamt vom 11.03.2018 (Bl. 6/6 d. A.) reagiert, in dem es an seiner Rechtsauffassung zur Richtigkeit des Erbscheins festgehalten hat.

Der Rechtspfleger beim Grundbuchamt hat sodann die Nachlassakten beigezogen und das bezeichnete Nachlassgericht durch Verfügung vom 11.04.2018 (Bl. 6/8 d. A.) nochmals um Überprüfung des Erbscheins gebeten und seine Rechtsauffassung zur Unrichtigkeit des Erbscheins wiederholt und vertieft. Er hat beim Nachlassgericht die Einziehung des Erbscheins angeregt und seine Rechtsauffassung zum Inhalt eines zu erteilenden Erbscheins mitgeteilt. Nachdem das Nachlassgericht hierauf mit Schreiben an das Grundbuchamt vom 06.08.2018 (Bl. 6/10 d. A.) reagiert hatte, in dem es unter ausführlicher Darlegung an seiner Rechtsauffassung zur Richtigkeit des Erbscheins festgehalten hatte, hat der Rechtspfleger beim Grundbuchamt gegenüber dem bezeichneten Nachlassgericht durch Verfügung vom 09.08.2018 (Bl. 6/12 d. A.) seine Rechtsauffassung zur Unrichtigkeit nochmals dargelegt. Wegen der Einzelheiten der genannten Schriftstücke wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Durch den angefochtenen Beschluss (Bl. 6/13 ff. d. A.), auf dessen Einzelheiten verwiesen wird, hat der Rechtspfleger beim Grundbuchamt den Antrag der Verfahrensbevollmächtigten vom 04.12.2017 auf Grundbuchberichtigung kostenpflichtig zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der erteilte Erbschein eine rechtliche Unmöglichkeit ausweise, dieser wegen Unrichtigkeit einzuziehen sei und der Grundbuchberichtigungsantrag folglich nicht vollzogen werden könne. Er hat dabei auf das Legalitätsprinzip Bezug genommen.

Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller ausweislich des Schriftsatzes seines Verfahrensbevollmächtigten vom 16.10.2018 (Bl. 6/16 ff. d. A.), auf dessen Einzelheiten ebenfalls Bezug genommen wird, Beschwerde eingelegt.

Der Rechtspfleger beim Grundbuchamt hat der Beschwerde ausweislich seines Beschlusses vom 18.10.2018 (Bl. 6/19 ff. d. A.) nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II. Wie in der Beschwerdeschrift ausgeführt, handelt es sich - anders als im Nichtabhilfebeschluss vom 18.10.2018 aufgeführt - um eine Beschwerde des hiesigen Antragstellers. Als solche ist sie gemäß den §§ 71, 73 GBO statthaft und auch ansonsten zulässig.

Sie hat auch in der Sache wie aus dem Tenor ersichtlich Erfolg. Es war nicht gerechtfertigt, mit der gegebenen Begründung den Eintragungsantrag vom 04.12.2017 zurückzuweisen.

Eine berichtigende Eintragung im Grundbuch ist gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 GBO vorzunehmen, wenn der Antragsteller die Grundbuchunrichtigkeit in grundbuchtauglicher Form nachweist. Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO ist der Nachweis der Erbfolge grundsätzlich durch einen Erbschein zu führen. Dieser begründet sachlich-rechtlich nur eine Vermutung für das bezeugte Erbrecht, § 2365 BGB. Nach wohl überwiegender Auffassung hat er im Grundbuchverfahren aber nach § 35 GBO darüber hinaus volle Beweiskraft für das Bestehen des Erbrecht...

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