Leitsatz (amtlich)

Ein wichtiger Grund für die gerichtliche Abberufung eines Aufsichtsratsmitgliedes liegt vor, wenn ein Verbleiben des Mitgliedes im Aufsichtsrat bis zum Ablauf seiner Amtszeit für die Gesellschaft unzumutbar ist.

Die Überwachung der Geschäftsführung obliegt nach § 111 Abs. 1 AktG dem Aufsichtsrat als Organ. Maßt sich ein Aufsichtsratsmitglied diesbezügliche Kontrollbefugnisse wiederholt als Einzelperson an, so kann hierin ein wichtiger Grund liegen, wenn die gebotene Einzelfallbetrachtung ergibt, dass des sich um ein so gravierendes Fehlverhalten handelt, dass das Interesse der Gesellschaft an einem funktionsfähigen Aufsichtsrat die sofortige Abberufung als ulitma ratio erfordert.

 

Normenkette

AktG § 103 Abs. 3 S. 1, § 111 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Beschluss vom 27.03.2007; Aktenzeichen 14 T 5/07)

AG Darmstadt (Aktenzeichen HRB 1261)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen,

Der Antragssteller hat die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde zu tragen und dem Antragsgegner dessen außergerichtliche Kosten im Verfahren der weiteren Beschwerde zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 20.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsgegner gehört als einer von drei Arbeitnehmervertretern seit mehreren Jahren dem aus 12 Mitgliedern bestehenden Antragssteller, dem Aufsichtsrat der ... AG an. Seine Amtszeit endet planmäßig im Jahr 2008. Der Antragsgegner ist stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender und außerdem Vorsitzender des Betriebsrates der ... AG.

Auf der Grundlage eines diesbezüglichen Aufsichtsratsbeschlusses vom 30.6.2006, der mit acht Ja-Stimmen bei drei Enthaltungen angenommen wurde, stellte der Antragssteller mit am 31.7.2006 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Antrag auf gerichtliche Abberufung des Antragsgegners gem. § 103 Abs. 3 AktG. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsgegner habe sich in der Vergangenheit wiederholt persönlich die nur dem Aufsichtsrat zustehenden Kontrollrechte ggü. dem Vorstand angemaßt. Als unmittelbarem Anlass für die Einleitung des Verfahrens wurde insb. auf zwei an den Vorstandsvorsitzenden gerichtete Schreiben des Antragsgegners vom 15.3. und 19.5.2006 Bezug genommen und ergänzend auf ein Gerichtsverfahren aus dem Jahre 2003 verwiesen. Ergänzend wurde geltend gemacht, der Antragsgegner habe ausweislich eines am 11.11.2005 in der Frankfurter Rundschau unter der Überschrift "Lustreise für manche tabu" erschienenen Artikels vertrauliche Informationen über Aufsichtsratssitzungen weitergegeben.

Der Antragsgegner wandte sich gegen den Abberufungsantrag und machte geltend, das ihm vorgeworfene Verhalten stelle keinen wichtigen Grund zur Abberufung dar. Die Frage der Anmaßung von Kontrollrechten durch einzelne Aufsichtsratsmitglieder setze schwierige rechtliche Abwägungen voraus, so dass ihm insb. unter Berücksichtigung einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Darmstadt ein schwerwiegender Vorwurf nicht gemacht werden könne. Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass er das Schreiben vom 15.3.2006 mit E-Mail vom 11.4.2006 zurückgenommen und das weitere Schreiben vom 19.5.2006 aus einer Verärgerung über eine von ihm vermutete Indiskretion des Vorstandsvorsitzenden heraus verfasst habe. Aus dem vorgelegten Artikel ergebe sich, dass er sich ggü. der Zeitung lediglich dazu geäußert habe, ob es im Aufsichtsrat zu der Frage, ob die Lebensgefährtinnen und Lebensgefährten der Aufsichtsratsmitglieder an einer Reise des Aufsichtsrates teilnehmen dürften und welche Kosten damit verbunden waren, eine entsprechende Diskussion gegeben habe.

Das AG - Registergericht - berief den Antragsgegner mit Beschluss vom 15.1.2007 als Aufsichtsratsmitglied ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsgegner beanspruche als einzelnes Mitglied des Aufsichtsrates fortgesetzt und offensichtlich uneinsichtig Kontrollrechte ggü. dem Vorstand, die nur dem Aufsichtsrat als Organ zustünden und habe durch Weitergabe vertraulicher Informationen aus dem Aufsichtsrat an die Presse gegen Verschwiegenheits- und Geheimhaltungspflichten verstoßen.

Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Antragsgegners hob das LG den angefochtenen amtsgerichtlichen Beschluss unter Abweisung des Abberufungsantrages auf. Zur Begründung wurde ausgeführt, die vom AG aufgelisteten Verstöße, die dem Antragsgegner zum Vorwurf gemacht würden, reichten weder für sich genommen noch in ihrem Zusammenwirken aus, um ein so massives Fehlverhalten zu begründen, dass der Gesellschaft ein weiteres Verbleiben des Antragsgegners bis zum Ablauf seiner Mandatszeit unzumutbar oder untragbar sei. Dass der Antragsgegner sich in den beiden internen Schreiben vom 15.3. und 19.5.2006 massiv im Ton vergriffen und den aus der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner vertrauten Ton in den überwiegend oder ausschließlich mit politischen Funktionsträgern besetzten Aufsichtsrat und Vorstand der stadteigenen Gesellschaft transportiert habe, sei zw...

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