Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Urteil vom 14.10.2003; Aktenzeichen 10 O 141/02)

 

Tenor

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 14. Oktober 2003 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10. Februar 2003 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die, Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Hohe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 23. Januar 2002 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des Zahnarztes Dr. M.-D. (im Folgenden: Schuldner).

Der Schuldner stand in ständiger Geschäftsbeziehung zur beklagten Bank. Bereits am 29. September 1975 hatte er, ergänzt durch Erklärung vom 14. September 1994, ihr alle gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche gegen die für ihn zuständige Kassenzahnärztliche Vereinigung sicherungshalber abgetreten. Durch Kündigung vom 13. Februar 2002 stellte die Beklagte ihre Kreditforderungen in Höhe von 347.355,55 EUR fällig.

In den ersten beiden Monaten nach Insolvenzeröffnung zahlte die Kassenzahnärztliche Vereinigung … 30.102,26 EUR auf das Girokonto des Schuldners bei der Beklagten. Die Parteien streiten darüber, ob das Geld zur Insolvenzmasse gehört oder gemäß § 114 Abs. l InsO der Beklagten zusteht.

Das Landgericht hat dem Kläger einen Erstattungsanspruch in dieser Höhe einschließlich Zinsen zugebilligt, weil die Abtretung der Ansprüche gegen die Kassenzahnärztliche Vereinigung nicht über den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung hinauswirke. Bezüge aus einem Dienstverhältnis i.S. von § 114 Abs. l InsO seien typischerweise die Vergütungsansprüche von Arbeitern und Angestellten oder die Besoldung der Beamten. Anders als im Fälle der §§ 850 bis 850 k ZPO sei bei § 114 InsO eine über den Wortlaut der Norm hinausreichende Auslegung abzulehnen, da der Gesetzgeber nur die Privilegierung von Menschen am unteren Ende der sozialstrukturellen Skala gewollt habe, um ihnen durch die Abtretung oder Verpfändung ihrer Einkünfte eine Kreditaufnahme zu ermöglichen. Freiberufler, zu denen auch Kassenärzte gehörten, seien darauf nicht in gleichem Maße angewiesen.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Sie beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger, der das Urteil verteidigt, bittet um

Zurückweisung der Berufung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils sowie den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat Erfolg.

Der Kläger kann die Auskehrung der von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung überwiesenen Gelder nicht verlangen, weil, der Schuldner darüber bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam zugunsten der Beklagten verfügt hat. Die abweichende Entscheidung des, Landgerichts beruht auf einem Fehlverständnis des § 114 Abs. l InsO. Nach der Auffassung des Einzelrichters soll § 114 InsO eng auszulegen sein, um eine Schmälerung der Masse zu verhindern. In Wirklichkeit verhält es sich jedoch umgekehrt. Zwar erfasst das Insolvenzverfahren gemäß § 35 InsO das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Soweit er diese Ansprüche vor Insolvenzeröffnung unanfechtbar zur Sicherung abgetreten hat, stehen sie aber nicht mehr ihm, sondern dem Zessionar zu. Sie gehören daher weder zum gegenwärtigen noch zum zukünftigen Vermögen des Schuldners. Das ergibt sich aus §§ 50, 51 Nr. l InsO, denn danach sind auch die Gläubiger zur Absonderung berechtigt, denen der Schuldner sicherungshalber ein Recht, also auch eine Forderung, abgetreten hat.

Vor diesem Hintergrund dient § 114 Abs. l InsO – neben der Gewährleistung der Restschuldbefreiung – der Erweiterung der Insolvenzmasse, in dem Vorausverfügungen des Schuldners über sein Einkommen befristet werden, denn erst dadurch werden Absonderungsrechte von Kreditgebern beschnitten und der Neuerwerb der Insolvenzmasse gesichert (Kübler/Prütting/Moll, InsO, § 114 Rn. 8, 9; MK-Löwisch/Caspers, InsO, § 114 Rn. 2; Uhlenbruck/Berscheid, InsO, 12, Aufl., § 114 Rn. 4).Deshalb ist – entgegen der Auffassung des Landgerichts und des Klägers – der Begriff der „Bezüge aus einem Dienstverhältnis” in § 114 Abs. l InsO nach, soweit ersichtlich, einhelliger Meinung weit und in Anlehnung an die §§ 850 ff. ZPO auszulegen (Braun/Kroth, InsO, § 114 Rn. 3; Hess, InsO, § 114 Rn. 12; Kübler/Prütting/Moll, a.a.O., § 114 Rn. 11, 12; MK-Löwisch/Caspers, a.a.O., § 114 Rn. 6; Uhlenbruck/Berscheid, a.a.O., § 114 Rn. 7, 9), da nicht einzusehen ist, warum die Masse nur bei Insolvenzen von Arbeitern, Angestellten und Bea...

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