Leitsatz (amtlich)

1. Wenn der Deutsche Bahn AG die Bedienung eines Privatgleisanschlusses wirtschaftlich unzumutbar ist, darf sie den Anschlussvertrag kündigen.

2. In diesem Fall ist der „Gleisanschließer” zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes verpflichtet.

 

Normenkette

PAB § 32 Abs. 1, § 33 Abs. 1; BGB § 568 a.F.

 

Verfahrensgang

LG Duisburg (Aktenzeichen 3 O 175/98)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 20.12.2000 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Duisburg teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt,

a) an die Klägerin 40.368 DM nebst 4 % Zinsen seit 18.7.1998 zu zahlen;

b) das der Klägerin gehörende, auf anliegendem Plan (S. 3a) rot markierte, Grundstück zwischen dem Ende der Anschlussweiche in Höhe des Streckenkilometers 1, 483 und der Grenze zum Grundstück der Beklagten zu räumen und durch

aa) Ausbau der Gleisanlagen (u.a. ca. 110 m Schiene, Schotter, Schwellen) sowie

bb) Einplanierung des betroffenen Grundstücks den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin auch die über 40.368 DM hinausgehenden Kosten zu erstatten, die erforderlich sein werden im Zusammenhang mit dem Ausbau der Anschlussweiche Nr. 230.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 4 % und die Beklagte 96 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

(Es folgt der im Urteilstenor erwähnte Plan)

 

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten hat lediglich insoweit Erfolg, als diese nicht verpflichtet ist, die Anschlussweiche 230 nach dem Ausbau zurückzunehmen. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.

1. Das LG hat die Beklagte zu Recht verurteilt, 40.368 DM (34.800 DM zzgl. USt.) Vorschuss an die Klägerin zu zahlen.

Ein solcher Anspruch ergibt sich aus Abschnitt II des Gleisanschlussvertrages i.V.m. § 33 Abs. 1 S. 2 der allgemeinen Bedingungen für Privatgleisanschlüsse (PAB) i.V.m. § 669 BGB.

Der sog. Anschließer trägt danach die Kosten der Wiederherstellung des früheren Zustandes unter anderem, wenn die Klägerin den Gleisanschluss gem. § 32 Abs. 1 PAB gekündigt hat, weil ihr bei Fortsetzung des Vertrages finanzielle Belastungen erwachsen, die ihr unter Berücksichtigung ihres wirtschaftlichen Interesses am Anschlussverkehr nicht zugemutet werden können.

Eine solche wirksame Kündigung liegt hier vor.

a) Die von der Klägerin durch Schreiben vom 22.2.1996 erklärte Kündigung ist wirksam, weil evident ist, dass ihr aus der Fortsetzung des Vertrages unzumutbare finanzielle Belastungen erwachsen wären und erwachsen würden.

Im Rahmen der Zumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag ist zu prüfen, welche Aufwendungen und welcher Ertrag bei Fortsetzung des Vertrages zu erwarten gewesen wären. Regelmäßig ergibt sich eine Unzumutbarkeit, wenn die Einnahmen – wie hier – aufgrund geringen oder fehlenden Bahnverkehrs auf dem Anschlussgleis gering sind (vgl. auch die in den Entscheidungen BGH BB 1971, 1481; OLG Frankfurt v. 3.4.1990 – 5 U 28/89, TransportR 1991, 27 f.; LG Düsseldorf v. 23.4.1987 – 12 O 501/86 TransportR 1987, 437 f. zugrunde liegenden Sachverhalte).

Die wirtschaftliche Unzumutbarkeit einer Fortsetzung des Vertrages resultiert für die Klägerin im Streitfall daraus, dass zwischen 1990 und 1995 jährlich in höchstens 10 Fällen Zustellungen/Abholungen über das Anschlussgleis abgewickelt wurden.

Zwar oblagen der Beklagten die Unterhaltspflicht für das Anschlussgleis sowie die Unterhaltung und etwaige Erneuerung der Schutzanlagen mit Ausnahme der Schmierung und Unterhaltung signaltechnischer Einrichtungen, die die Klägerin übernommen hatte (Abschnitt II zu § 10 des Gleisanschlussvertrages). Hinsichtlich der Kosten, die im Zusammenhang mit einer Anschlussweiche entstanden, hatte die Klägerin nach dem Gleisanschlussvertrag zudem einen besonderen Kostenerstattungsanspruch gegen die Beklagte.

Der Beklagten ist deshalb zuzugeben, dass die Unterhaltungskosten für die Schienenanbindung ihres Betriebsgeländes grundsätzlich keine unzumutbaren finanziellen Belastungen für die Klägerin auslösen konnte, sieht man einmal von dem Aufwand für die Geltendmachung der Erstattungsansprüche und dem Risiko ab, dass die Beklagte insolvent werde könnte.

Die von der Beklagten geschuldete Stammgleisvergütung sollte jedoch nur einen Beitrag zu den Kosten darstellen, die der Klägerin durch das Vorhalten ihres Stammgleises entstanden. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Gleisanschlussvertrages (Abschn. II zu § 30 Abs. 3). Neben den festen Einnahmen aus der Stammgleisvergütung und der Miete für das der Beklagten zur Verfügung gestellte Gelände i.H.v. jährlich insgesamt 488,05 DM zzgl. USt. hatte die Klägerin ersichtlich ein Interesse daran, zusätzliche Einnahmen durch die Beförderung von Gütern auf ihrem Streckennetz zu erzielen. Dieses Interesse erschöpfte sich nicht im Interesse an Anschlussgebühren gemäß der Anschlussgebührentabelle zu § 30 PAB. Vielm...

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