Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Aktenzeichen 4c O 22/19)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das am 14. Juni 2019 verkündete Urteil der 4c Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

II. Die Verfügungsbeklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Die Vollziehung der einstweiligen Verfügung ist davon abhängig, dass die Verfügungsklägerin zuvor eine Sicherheit in Höhe von 5.000.000,- EUR leistet.

IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000.000,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Von einer Darstellung des Sachverhaltes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1, 542 Abs. 2 S. 1 ZPO abgesehen.

II. Die Berufung der Verfügungsbeklagten ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Nachdem die Verfügungsklägerin sowohl das Vorliegen eines Verfügungsanspruchs als auch eines Verfügungsgrundes glaubhaft gemacht hat, begegnet der Erlass der Unterlassungsverfügung durch das Landgericht keinen Bedenken.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht im Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform, dem Glatirameracetat-Produkt "CLIFT 40 mg/ml Injektionslösung in einer Fertigspritze" (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform), in der Bundesrepublik Deutschland eine wortsinngemäße Benutzung der Patentansprüche 1 und 2 des deutschen Teils des EP 2 949 XXX XX (nachfolgend: Verfügungspatent) gesehen und gegenüber der Verfügungsbeklagten davon ausgehend wegen unmittelbarer Patentverletzung im Wege der einstweiligen Verfügung ein Unterlassungsgebot ausgesprochen. Der Verfügungsklägerin steht ein entsprechender Unterlassungsanspruch aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG zu.

Des Weiteren ist der Rechtsbestand vor dem Hintergrund der erstinstanzlichen Aufrechterhaltung des Verfügungspatents im Einspruchsverfahren auch unter Berücksichtigung des ergänzenden Vorbringens der Verfügungsbeklagten in dem für den Erlass der begehrten Unterlassungsverfügung erforderlichen Umfang gesichert. Da auch eine Abwägung der Interessen der Parteien zu Gunsten der Patentinhaberin ausfällt, besteht für eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung durch den Senat kein Anlass.

Im Einzelnen:

1. Das am 19. August 2010 angemeldete Verfügungspatent, dessen Erteilung am 4. Januar 2017 veröffentlicht wurde, betrifft eine "niedrigfrequente Glatiramerazetattherapie".

Wie der Fachmann den einleitenden Bemerkungen der Verfügungspatentbeschreibung entnimmt, handelt es sich bei Multiple Sklerose (MS) um eine chronische, lähmende Erkrankung des zentralen Nervensystems, wobei MS auch als Autoimmunerkrankung klassifiziert worden ist. Die Aktivität einer MS-Erkrankung kann mithilfe bildgebender Magnetresonanztomographie (MRT) des Gehirns, anhand der Zunahme der Behinderung sowie anhand der Häufigkeit und Schwere der Schübe überwacht werden (Abs. [0001]).

Grundsätzlich sind fünf Hauptformen der MS zu unterscheiden. Eine davon ist die schubförmig remittierende Multiple Sklerose (Relapsing-Remitting Multiple Sclerosis = RRMS). Patienten, die an einer solchen RRMS leiden, erfahren sporadische Verschlimmerungen oder Schübe ebenso wie Remissionsperioden. Läsionen und Anzeichen axonalen Verlusts können bei Patienten, die eine RRMS aufweisen, auf dem MRT sichtbar sein (Abs. [0002] und [0004]).

Glatirameracetat (GA), eine Mischung aus Polypeptiden, die nicht alle die gleiche Aminosäuresequenz aufweisen, wird unter dem Handelsnamen "Copaxone*" vertrieben. GA umfasst die Acetatsalze von Polypeptiden, die L-Glutaminsäure, L-Alanin, L-Tyrosin und L-Lysin mit durchschnittlichen molaren Anteilen von jeweils 0,141, 0,427, 0,095 und 0,338 enthalten. Bei "Copaxone" handelt es sich um eine zugelassene, sichere und gut verträgliche Therapie für Patienten mit schubförmig remittierender Multipler Sklerose (RRMS) einschließlich solcher Patienten, die einen ersten klinischen Schub erfahren haben und MRT-Kennzeichen aufweisen, die denen der Multiplen Sklerose entsprechen. Das Medikament wird in einer Dosis von 20 mg Clatirameracetat täglich injiziert. Eine solche Dosis kann die Gesamtzahl anreichernder Läsionen, die durch MRT gemessen werden, bei MS-Patienten verringern (G. Comi et. al., European/Canadian Multicenter, Double-Blind, Randomized, Placebo-Controlled Study of the Effects of Glatimarer Acetate on Magnetic Resonance Imaging-Measured Disease Activity and Burden in Patients with Relapsing Sclerosis, Ann. Neurol. 49: 290-297 (2001)) (Abs. [0013] f).

Die bei der herkömmlichen GA-Therapie erforderliche tägliche Injektion ist für Patienten unbequem, vor allem, da derartige Injektionen zu Infektionen an der Injektionsstelle (injection site reaction, ISR), wie etwa Erythem, Schmerz, Zusammenziehung, Juckreiz, Ödeme, Entzündungen oder Überempfindlichkeit, führen können (vgl. Abs. [0065] und [0112]).

Mögliche Lösungsansätze zur Beseitigung dieser Nachteile begegnen jedoch zahlreichen Hindernissen und Einschränkungen. So ist eine subkutane Arzneimittelverabreichung durch das Injektionsvolumen begrenzt; in der Regel sind n...

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