Leitsatz (amtlich)

1. Der Geschädigte, dessen Schadensersatzforderung gegen den Gemeinschuldner zur Konkurstabelle festgestellt ist und dessen Recht nach § 157 VVG auf abgesonderte Befriedigung aus der Entschädigungsforderung des Gemeinschuldners gegen seinen Haftpflichtversicherer vom Konkursverwalter anerkannt worden ist, hat gegen den Haftpflichtversicherer Anspruch auf Auskunft über den Gegenstand und den Umfang des Versicherungsschutzes.

2. Demgegenüber kann sich der Versicherer nicht mit Erfolg auf Risikoausschlüsse und Obliegenheitsverletzungen nach den AHB berufen, solange er den Versicherungsvertrag dem Geschädigten und dem Gericht vorenthält und deshalb die unveränderte Geltung der AHB nicht feststellbar ist.

3. Zur Verjährung des Auskunftsanspruchs.

 

Normenkette

AHB § 4 I Nr. 6 Abs. 3, § 5 Nr. 5; VVG § 12 Abs. 1, §§ 156-157

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Aktenzeichen 11 O 223/00)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 17.10.2000 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer – Einzelrichterin – des LG Düsseldorf abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin sämtliche vertragliche Unterlagen über das Haftpflichtversicherungsverhältnis zwischen der Beklagten und der D.F.V.- und S. GmbH, … sowie alle Nachträge und Versicherungsbedingungen vorzulegen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die Berufung hat Erfolg. Die Klägerin kann von der Beklagten Auskunft über den Inhalt des Haftpflichtversicherungsvertrags zwischen ihr und der D.F.V.- und S. GmbH (im Folgenden: Gemeinschuldnerin) verlangen, wobei der Senat im Urteilstenor das im Berufungsantrag zum Ausdruck gebrachte Aufklärungsinteresse der Klägerin konkretisiert hat.

1. Zwar ist dem deutschen Zivilrecht eine allgemeine, nicht aus besonderen Rechtsgründen abgeleitete Auskunftspflicht fremd. Nur unter engen Voraussetzungen erkennt daher die Rechtsprechung einen aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) abgeleiteten Auskunftsanspruch an (BGH v. 5.6.1985 – I ZR 53/83, MDR 1986, 559 = NJW 1986, 1244; v. 14.7.1987 – IX ZR 57/86, MDR 1988, 47 = NJW-RR 1987, 1296). Ob die danach im Regelfall zu beachtenden Erfordernisse erfüllt sind, kann im Streitfall indes dahingestellt bleiben, weil hier besondere Umstände gegeben sind, die auch unabhängig davon die Anerkennung eines Auskunftsrechts rechtfertigen. Die Haftpflichtversicherung, aus der die Klägerin als Geschädigte einen Ersatzanspruch für sich herleitet, unterliegt nämlich nach höchstrichterlicher Rechtsprechung einer besonderen sozialen Bindung. Diese kommt in den §§ 156, 157 VVG zum Ausdruck, da daraus die Wertung des Gesetzgebers hervorgeht, dass dem Geschädigten „die Entschädigung unter allen Umständen … zugute” kommen soll (BGH v. 5.6.1985 – I ZR 53/83, MDR 1986, 559 = NJW 1986, 1244; v. 14.7.1987 – IX ZR 57/86, MDR 1988, 47 = NJW-RR 1987, 1296, unter Hinweis auf die amtliche Begründung zur Gesetzesnovelle). Mit Rücksicht darauf hat der BGH auch das Feststellungsinteresse für eine vorweggenommene Deckungsschutzklage des geschädigten Dritten bejaht, weil anderenfalls die Gefahr bestünde, dass ihm der Deckungsanspruch als Befriedigungsobjekt verloren geht (BGH VersR 2001, 90). Rechtfertigt schon das die unmittelbare Inanspruchnahme des Haftpflichtversicherers, obwohl der Haftpflichtanspruch noch ungeklärt ist, so kann aber auch der Klägerin ein Auskunftsanspruch über den Gegenstand und Umfang des Versicherungsschutzes nicht verwehrt werden, zumal in ihrem Fall die sonstigen Voraussetzungen eines Anspruchs auf abgesonderte Befriedigung nach § 157 VVG bereits feststehen. Denn unstreitig ist ihr Schadensersatzanspruch in voller Höhe zur Konkurstabelle festgestellt und ihr Absonderungsrecht vom Konkursverwalter anerkannt worden (vgl. dazu Johannsen, r+s 1997, 309 [317]; BK-Baumann, VVG, § 157 Rz. 5 ff.). Wollte man der Klägerin unter diesen Umständen ein Auskunftsrecht versagen, weil sie ihr Informationsbedürfnis auch durch die Inanspruchnahme der Gemeinschuldnerin oder des Konkursverwalters befriedigen kann, so liefe auch sie Gefahr, dass der Deckungsanspruch in der Zwischenzeit u.U. verjährt oder durch Ablauf einer von der Klägerin gesetzten Klagefrist untergeht. Das wäre aber mit der Sozialbindung der Haftpflichtversicherung nicht in Einklang zu bringen.

2. Dem daraus resultierenden Auskunftsanspruch kann die Beklagte nicht entgegenhalten, dass im Streitfall der Risikoausschluss des § 4 I Nr. 6 Abs. 3 AHB eingreife und der Konkursverwalter gegen das Anerkennungsverbot gem. § 5 Nr. 5 AHB verstoßen habe. Nach ihrem Vorbringen spricht zwar einiges dafür, dass der Haftpflichtanspruch der Klägerin auf eine an die Stelle der Erfüllungsleistung tretende Ersatzleistung gerichtet ist, für die der Haftpflichtversicherer nach § 4 I Nr. 6 Abs. 3 AHB nicht einzustehen hat. Dass die AHB dem Versicherungsvertrag (in unveränderter Form) zugrunde liegen, ist jedoch nicht feststellbar, da die Beklagte den Versicherungsvertrag nicht nur der Klägerin, sondern auch de...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge