Leitsatz (amtlich)

1. Wenn ein Rechtsanwalt seine Honorarberechnung in die Klageschrift integriert, ist seine Vergütung selbst dann einforderbar im Sinne von § 10 Abs. 1 S. 1 RVG, wenn ungeklärt bleibt, ob seinem Mandanten vorgerichtlich eine unterschriebene Kostenberechnung zugegangen ist.

2. Voraussetzung für eine gemäß § 850 f. Abs. 2 ZPO privilegierte Zwangsvollstreckung ist, dass der geltend gemachte Anspruch aus vorsätzlich unerlaubter Handlung resultiert. Das ist nicht der Fall, wenn der Schuldner die Durchsetzung eines vertraglich begründeten Vergütungsanspruchs durch eine unerlaubte Handlung (hier: Prozessbetrug) abzuwenden versucht.

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Urteil vom 17.12.2015; Aktenzeichen 34 O 97/14)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 17.12.2015 verkündete Urteil der Vorsitzenden der 4. Kammer für Handelssachen des LG Düsseldorf unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und der auf die Feststellung gerichtete Antrag, dass der Anspruch der Klägerin aus den ursprünglichen Klageantragen Ziffer I. bis IV. aus der Klageschrift vom 27.11.2014 auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung beruht, abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen zu 43 % die Klägerin und zu 57 % der Beklagte. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen zu 54 % die Klägerin und zu 46 % der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin vertrat den Beklagten in den Jahren 2010 und 2011 in mehreren Gerichtsverfahren gegen die M GmbH.. betreffend die Benutzung des Domainnamens "www...com". In den Verfahren war der Patentanwalt Dr. B hinzugezogen worden. Nachdem der Beklagte in allen Verfahren obsiegt hatte, betrieb die Klägerin die Kostenfestsetzung. Am 1.3.2013 teilte der Beklagte dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt K. mit, dass Zahlungen der M. GmbH bzw. der Rechtsanwälte an ihn selbst zu richten seien (Anlage K 39, Anlagenhefte I = AI 67). Am 3.4.2013 teilte der Beklagte der M. GmbH mit, dass Kostenerstattungen aus den Verfahren vor dem LG Düsseldorf (34 O 130/10), dem Oberlandesgericht Düsseldorf (I-20 U 48/11) und dem Bundesgerichtshof (I ZR 226/11) ausschließlich auf sein Konto zu erfolgen hätten. Die ihn vertretenden Rechtsanwaltskanzleien seien nicht zur Entgegennahme von Zahlungen berechtigt (Anlage K 40, A I 68).

Am 12.3.2013 übersandte die Klägerin dem Beklagten diverse Kostenrechnungen und erläuterte diese (Anlage K 67, AI 156). Sie wies weiter darauf hin, dass bei einzelnen Verfahren die Kostenfestsetzung noch nicht abgeschlossen sei.

Am 5.6.2013 überwies die M. GmbH auf das Konto des Beklagten als geschuldete Kostenerstattung einen Betrag iHv EUR 16.875,- (Anlage K 75, A I 170). Zwischen den Parteien ist streitig, ob dieser Zahlungseingang dem Beklagten damals zur Kenntnis gelangt ist. Der Beklagte hat insoweit behauptet, er habe im Frühjahr 2013 außerordentlich starke Rückenbeschwerden gehabt und sei nicht in der Lage gewesen, seinen beruflichen Verpflichtungen nachzukommen. Deshalb habe er die Kontoauszüge - im Wesentlichen ungelesen - an seine damalige Steuerberaterin weitergeleitet. Mit E-Mail vom 29.7.2013 wandte sich die Klägerin an den Beklagten und fragte an, ob zwischenzeitlich weitere Zahlungen bei ihm eingegangen seien (Anlage K 42, A I 70). Der Beklagte antwortete am 31.7.2013, dass Zahlungen eingegangen seien, er diese aber nicht klar zuordnen könne, weil ihm bis heute der Kostenfestsetzungsbeschluss nicht vorläge (Anlage K43, A I 71). Am 22.8.2013 wandte sich die Klägerin an den Beklagten und listete die aus den einzelnen Verfahren noch offenen Honorarforderungen auf (Anlage K 46, A I 74-78). Nachdem der Beklagte keine Zahlungen darauf leistete, versuchte die Klägerin in der Folgezeit die Vergütungen gemäß § 11 RVG gegen den Beklagten festsetzen zu lassen. Dies scheiterte, weil der Beklagte Einwendungen erhob.

Daraufhin machte die Klägerin in diesem Verfahren die offenen Honorare klageweise geltend und beantragte die Zahlungen von EUR 580,68 nebst Zinsen seit dem 27.3.2013 (Klageantrag zu I.), von EUR 1.493,69 nebst Zinsen seit dem 27.3.2013 (Klageantrag zu II.), von EUR 1.736,23 nebst Zinsen seit dem 27.3.2013 (Klageantrag zu III.), von EUR 114,95 nebst Zinsen seit dem 27.11.2013 (Klageantrag zu IV.) und von EUR 10,50 nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit (Klageantrag zu V.).

In der mündlichen Verhandlung vor dem LG vom 25.3.2015 gab der Beklagte an, einen Betrag in Höhe von EUR 16.875,- nicht von der M. GmbH erhalten zu haben (GA 67) und legte die Kopie von zwei Kontoauszügen der Postbank Berlin mit Zahlungseingängen vom 3. bis 28.6.2013 vor (GA 69). Auf dieser Kopie ist ein solcher Zahlungseingang nicht gelistet. Am 19.5.2015 bestätigte der Beklagte gegenüber der M. GmbH, dass er den Betrag in Höhe von EUR 16.875,- am 6.6.2013 zur Gutschrift auf seinem Postbankkonto erhalten habe (Anlage K 87, A I 185-186). Am 27.5.2015 überwies er an die Klägerin zur Erfüllung der Klageanträge I. b...

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