Leitsatz (amtlich)

1. Eine Telefaxübermittlung der jeweils durch den Vertragspartner unterzeichneten Vertragsurkunden erfüllt nicht die gesetzliche Schriftform des § 566 a.F. BGB.

2. Haben sich die Parteien beim mündlichen Abschluss eines langjährigen Mietvertrages zu dessen schriftlicher Beurkundung verpflichtet, so können sie sich gegenseitig den Mangel der Schriftform nicht entgegen halten.

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Urteil vom 02.06.2003; Aktenzeichen 9 O 96/03)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 2.6.2003 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Düsseldorf unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 18.860,00 Euro nebst Zinsen i.H.v. 8 % über dem Basiszinssatz aus 18.208,00 Euro seit dem 9.1.2003 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger für die Monate Juli bis Oktober 2002 eine rückständige Miete in geltend gemachter Höhe von 18.208 Euro zu zahlen oder ob der mittels wechselseitiger Telefaxerklärungen bis zum 31.8.2003 befristet geschlossene Mietvertrag wegen fehlender Schriftform durch die Kündigung der Beklagten vom 21.12.2002 zum 30.6.2003 beendet worden ist. Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens und der getroffenen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil verwiesen. Das LG hat die Klage abgewiesen, weil die Schriftform des § 566 BGB a.F. nicht eingehalten sei und die Berufung der Beklagten auf die Formnichtigkeit auch nicht gegen Treu und Glauben verstoße.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seinen erstinstanzlichen Zahlungsantrag weiter verfolgt. Der Kläger macht u.a. geltend, die Beklagte könne sich nicht auf den Formmangel berufen, weil sie mit ihm vereinbart habe, die Schriftform nachzuholen. Außerdem sei das Verhalten der Beklagten treuwidrig, weil die Beklagte längere Zeit aus dem Vertrag Vorteile gezogen habe und sich durch den Formmangel lediglich ihren vertraglichen Pflichten entziehen wolle.

Die Beklagte tritt der Berufung entgegen und verweist darauf, dass den Parteien bei Vertragsunterzeichnung bekannt gewesen sei, dass der Vertrag dem Schriftformerfordernis nicht genüge. Die Telefaxform sei einverständlich gewählt worden, weil keine der Parteien für die Unterschriftsleistung habe nach Neuss kommen wollen. Gerade aus diesem Grund sei – wie sie erstmals vorträgt – vereinbart worden, die gesetzlich vorgeschriebene Form nachzuholen, sobald sich ihr Geschäftsführer in Neuss aufhalte.

II. Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache Erfolg. Der Kläger kann entgegen der Auffassung des LG gem. § 535 Abs. 2 BGB von der Beklagten bis zur Neuvermietung der Räumlichkeiten zum 1.11.2002, d.h. für die Zeit vom 1.7.–31.10.2002, eine rückständige Miete in unstr. Höhe von 18.208 Euro zzgl. bezifferter, unstr. Verzugszinsen für die Zeit vom 1.7.–20.12.2002 i.H.v. 652 Euro verlangen.

1. Zwar ist mit dem LG davon auszugehen, dass die Parteien im Streitfall die gesetzliche Schriftform des § 566 BGB a.F. nicht eingehalten haben. Danach muss ein Vertrag entweder von allen Beteiligten auf derselben Urkunde oder – im Falle der Aufnahme mehrerer gleichlautender Urkunden über den Vertrag – jeweils auf der für den Gegner bestimmten Urkunde unterzeichnet werden. Weder das eine noch das andere ist hier geschehen. Eine Telefaxübermittlung der jeweils durch den Vertragspartner unterzeichneten Vertragsurkunden erfüllt nach allgemeiner Meinung die gesetzliche Schriftform nicht. Die fehlende Schriftform hat gem. § 566 S. 2 BGB a.F. grundsätzlich zur Folge, dass der Mietvertrag trotz der vereinbarten Befristung auf unbestimmte Zeit geschlossen ist und mit der Frist gem. § 565 Abs. 1a BGB a.F. gekündigt werden kann.

2. Die Beklagte muss sich jedoch nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als wäre ein formwirksamer befristeter Mietvertrag zustande gekommen. Ein Mangel der durch Gesetz vorgeschriebenen Form kann allerdings nur ausnahmsweise zur Vermeidung schlechthin untragbarer Ergebnisse wegen unzulässiger Rechtsausübung beachtlich sein, weil sich grundsätzlich jede Mietpartei darauf berufen darf, die für einen Vertrag vorgeschriebene Schriftform sei nicht eingehalten (BGH, Urt. v. 5.11.2003 – XII ZR 134/02, BGHReport 2004, 218; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingsrechts, 8. Aufl., Rz. 131). Ein solcher Ausnahmefall liegt nach der Rspr. insb. dann vor, wenn die Parteien aus außerhalb der Urkunde liegenden Gründen zur Erfüllung der Schriftform verpflichtet sind (BGH ZMR 1964, 79) oder eine Partei den durch eine Vertragsänderung bedingten Formmangel zur vorzeitigen Auflösung eines langjährigen Vertrages missbraucht, obwohl sie durch die Vertragsänderung begünstigt worden ist (BGH BGHZ 65, 49; OLG München v. 20.10.1995 – 21 U 4893/94, NJW-RR 1996, 654; OLG Düsseldorf DWW 2003, 93).

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