Leitsatz (amtlich)

1. Ein Erb-, Pflichtteils- und Zuwendungsverzicht ist keine Verfügung von Todes wegen i.S.v. § 27 BeurkG.

2. Die Beurkundung eines Erb- und Pflichtteilsverzichts ist nicht deshalb unwirksam, weil der Notar oder einer seiner in § 7 Abs. 1 BeurkG genannten Angehörigen zu den möglicherweise Erb- und Pflichtteilsberechtigten gehört.

3. Ein Zuwendungsverzicht ist nur dann i.S.v. § 7 BeurkG auf die Verschaffung eines rechtlichen Vorteils gerichtet, wenn die die Zuwendung enthaltende letztwillige Verfügung wirksam ist.

 

Normenkette

BGB §§ 2346, 2352; BeurkG §§ 7, 27

 

Verfahrensgang

LG Kleve (Urteil vom 04.05.2012; Aktenzeichen 1 O 342/11)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 4.5.2012 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Kleve wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens, einschließlich der Kosten des Streithelfers, trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch den Beklagten oder den Streithelfer durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte oder der Streithelfer vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt die Feststellung ihrer Miterbenstellung und macht gegen den Beklagten daraus folgende Ansprüche im Wege der Stufenklage geltend, hilfsweise Ansprüche als Pflichtteilsberechtigte. Sie ist die Halbschwester des Beklagten. Beide sind Kinder des am 22.11.1999 in E verstorbenen F (im Folgenden: Erblasser). Die Klägerin stammt aus der ersten Ehe des Erblassers mit der vorverstorbenen H, der Beklagte aus der zweiten Ehe des Erblassers mit der vorverstorbenen F.

Am 30.12.1980 errichteten der Erblasser und seine zweite Ehefrau ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich wechselseitig zu alleinigen Erben einsetzten und ihren Sohn, den Beklagten, zum "Nacherben des Längstlebenden". Der Klägerin wurde ein Vermächtnis ausgesetzt (Anlage 1). Beurkundet wurde das Testament von dem Notar S 1, dem Schwiegervater des Beklagten. Die Mutter des Beklagten verstarb im Jahr 1984 und wurde von dem Erblasser beerbt. Am 19.12.1988 schlossen der Erblasser und die Klägerin vor dem Notar S 2, dem Schwager des Beklagten, einen Erbverzichtsvertrag (Anlage 2). Darin verpflichtete sich der Erblasser zur Zahlung von 190.000 DM zum Ausgleich aller denkbaren Ansprüche der Klägerin an seinem dermaleinstigen Nachlass. Mit Erfüllung der Schenkung erklärte sich die Klägerin wegen ihrer möglichen künftigen Erbteils- und Pflichtteilsansprüche nach ihrem Vater für abgefunden und verzichtete ausdrücklich und unwiderruflich gegenüber dem Erblasser auf ihr gesetzliches Erbrecht und Pflichtteilsrecht für sich und ihre Abkömmlinge. Zugleich erklärte sie ihren unwiderruflichen Verzicht auf jegliche Zuwendungen, die der Erblasser in einer letztwilligen Verfügung zu ihren Gunsten getroffen hat, insbesondere auf das Vermächtnis aus dem gemeinschaftlichen Testament vom 30.12.1980.

Die Klägerin hat behauptet, ihr sei nicht erläutert worden, wie sich die errechnete Ausgleichssumme zusammensetze, und es sei ihr auch kein Hinweis auf das tatsächliche Vermögen des Erblassers zum damaligen Zeitpunkt erteilt worden. Hätte eine solche Belehrung stattgefunden, wäre deutlich geworden, auf welche Ansprüche sie letztlich verzichtete und in welchem Missverhältnis die vorgesehene Abfindungssumme zu dem Gesamtvermögen stand. Dieses habe schon zum damaligen Zeitpunkt geschätzt 2 Mio. Euro betragen. Sie ist der Ansicht, dass sowohl das Testament von 1980 als auch der Erbverzichtsvertrag von 1988 unwirksam seien, weil sowohl der Schwiegervater des Beklagten als Notar als auch der Schwager des Beklagten als Notar an der Beurkundung nicht hätten mitwirken dürfen (§ 7 BeurkG). Höchst vorsorglich fechte sie ihre Willenserklärung aus dem Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag wegen Irrtums und arglistiger Täuschung an, dieses habe sie bereits mit Anwaltsschreiben vom 25.10.2011 (Anlage 3) getan. Ihr sei seinerzeit erklärt worden, nach der damaligen Vermögenslage ihres Vaters hätte sie überhaupt keinen Anspruch. Das Anfechtungsrecht sei auch nicht verjährt, da sie von den die Anfechtung begründenden Tatsachen erst im Oktober 2011 erfahren habe. Für den Fall, dass der Vertrag von 1988 als wirksam erachtet werden sollte und die vorsorglich erklärte Anfechtung nicht durchgreifen würde, ständen ihr gegenüber dem Beklagten als Rechtsnachfolger des Vaters als auch gegenüber dem Notar Schadensersatzansprüche zu. Dem Beklagten sei ein abstrakter rechtlicher Vorteil verschafft worden durch den Verzichtsvertrag, da sie gem. § 2310 Satz 2 BGB von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen worden sei und damit sich zwangsläufig unmittelbar der gesetzliche Erbteil und der Pflichtteil des verbliebenen gesetzlichen Erben der ersten Ordnung, des Beklagten, verdoppelt habe.

Die Klägerin hat beantragt,

I. festzustellen, dass sie neben dem Beklagten Miterbin zu ½ - Anteil hinsichtlich ...

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