Leitsatz (amtlich)

1. Art. 82 EG (= Art. 86 EGV a.F.) findet nur auf solche Verhaltensweisen Anwendung, die ein marktbeherrschendes Unternehmen aus eigener Initiative an den Tag legt. Wird dem Unternehmen ein kartellrechtswidriges Verhalten durch nationale Rechtsvorschriften vorgeschrieben oder bildet die nationale Normenlage einen rechtlichen Rahmen, der jede Möglichkeit für ein Wettbewerbsverhalten ausschließt, ist die Vorschrift nicht anwendbar.

2. Aufgrund dessen fällt die Berechnung und Vereinnahmung von Entgelten, die nach den Bestimmungen des PTRegG oder des TKG genehmigt – und damit verbindlich vorgeschrieben – worden sind, nicht in den Anwendungsbereich des Art. 82 EG (= Art. 86 EGV a.F.).

3. Dass die Genehmigung des (unangemessen hohen) Entgelts auf einen Entgeltantrag des marktbeherrschenden Unternehmens zurückgeht, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Ein kartellrechtswidriger Erfolg ist nicht schon dann zuzurechnen, wenn das marktbeherrschende Unternehmen irgendeine nicht hinwegzudenkende Bedingung gesetzt hat. Erforderlich ist vielmehr ein solcher Beitrag, in dem sich die Marktbeherrschung des Unternehmens niedergeschlagen haben kann. Das ist beim Stellen eines Entgeltantrags nicht der Fall. Er setzt bloß das gesetzlich vorgeschriebene Genehmigungsverfahren in Gang; auf den Verlauf des Genehmigungsverfahrens, den Umfang der Entgeltprüfung und den Inhalt der Genehmigungsentscheidung – und damit im Ergebnis auf die Höhe des zukünftig zu berechnenden Entgelts – hat das antragstellende (marktbeherrschende) Unternehmen demgegenüber keinerlei Einfluss.

 

Normenkette

EG Art. 82; BGB §§ 812, 823 Abs. 2; PTRegG §§ 1-2, 4-5; TKG §§ 1-2; TKV §§ 6, 13

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 17.01.2001; Aktenzeichen 28 O (Kart) 537/99)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 10.02.2004; Aktenzeichen KZR 7/02)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 17.1.2001 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des LG Köln wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 435.000 Euro abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die zu erbringenden Sicherheiten können auch durch die selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts geleistet werden.

III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren und die Beschwer der Klägerin werden auf 30.002.460 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien sind miteinander in Wettbewerb stehende Telekommunikationsunternehmen. Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin die Beklagte auf die teilweise Erstattung von Entgelten in Anspruch, die zunächst ihre Rechtsvorgängerin, die „C. GmbH & Co. KG”, und ab dem 9.12.1996 sie selbst an die Beklagte für Telefondienstleistungen gezahlt hat.

Der Klage liegt im Einzelnen folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Beklagte verfügte bis zum 31.12.1997 über ein gesetzliches Monopol zum Angebot von Sprachtelefondienstleistungen an die Öffentlichkeit. Dementsprechend war die Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt am Markt lediglich als Anbieterin von Telefondiensten für Firmennetze (Corporate Network) und geschlossene Benutzergruppen (Closed User Groups) tätig. Kennzeichnend für die CN- und CUG-Dienste war, dass der Anbieter die Sprachtelefondienste innerhalb des Firmennetzes oder der geschlossenen Benutzergruppe über ein eigenes oder gemietetes Telefonnetz erbrachte und dass er für die Verbindung seines Kunden mit Gesprächspartnern aus dem öffentlichen Telefonnetz (sog. Break-In-Verkehr und Break-Out-Verkehr) auf die Inanspruchnahme der Telefondienstleistungen der Beklagten angewiesen war. Auch die Klägerin hat deshalb zur Erbringung ihrer CN- und CUG-Dienste die Leistungen der Beklagten, nämlich den Aufbau und das Halten einer Telefonverbindung zwischen dem eigenen Netz und dem jeweiligen Gesprächsteilnehmer aus dem öffentlichen Telefonnetz, in Anspruch genommen.

Die Beklagte hat diese Leistungen der Klägerin nach Maßgabe ihrer seinerzeit gültigen Tarife „AGB-Standard”, „Dial & Benefit” und „Dial & Benefit CN” in Rechnung gestellt und bezahlt erhalten. Bei dem Tarif „AGB-Standard” handelte es sich um einen nicht rabattierten Endkundentarif. Der Tarif „Dial & Benefit” war ein Optionstarif, der sich an Geschäftskunden wendete und in bestimmten Leistungsbereichen Rabatte vorsah; der Tarif „Dial & Benefit CN” war eine besondere Form jenes Tarifs speziell für solche Kunden der Beklagten, die ein geschlossenes Netzwerk betreiben. Sämtliche der vorgenannten Tarife waren vom Bundesminister für Post und Telekommunikation als der zuständigen Regulierungsbehörde genehmigt worden, unter anderem der Tarif „Dial & Benefit” durch Bescheid vom 26.6.1996 mit Wirkung zum 1.11.1996 und der Tarif „Dial & Benefit CN” durch Bescheid vom 14.10.1996 mit Wirkung zum 1.11.1996.

Anfang 1996 wandte sich die Klägerin zusammen mit weiteren Unternehmen an die EU-Kommission mit dem Vorwurf, die Beklagte betreibe durch ihre Tari...

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