Leitsatz (amtlich)

1. Die Registrierung der kindlichen Herztöne über einen Cardiotokographen kann durch eine ungewöhnliche Adipositas der schwangeren Patientin und durch wehenbedingte Bewegungen beeinträchtigt werden; die darauf beruhende Lückenhaftigkeit der Aufzeichnung ist dem geburtshilflichen Personal nicht ohne weiteres vorzuwerfen; es kann in einer solchen Situation aber angebracht sein, die fetale Frequenz über eine Kopfschwartenelektrode abzuleiten.

2. Es ist nicht erforderlich, die Ursache einer kindlichen Schädigung durch einen Pädiater abzuklären, wenn Ersatzansprüche ausschließlich gegen das geburtshilfliche Personal gerichtet werden und der mit der Beurteilung des Sachverhaltes befasste Gynäkologe überzeugend zu dem Ergebnis gelangt, dass die geburtshilfliche Betreuung in jeder Hinsicht einwandfrei war.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 249 ff., § 276 a.F., §§ 611, 847

 

Verfahrensgang

LG Duisburg (Aktenzeichen 10 O 331/98)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 16.04.2002; Aktenzeichen X ZR 17/01)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das am 15.12.1999 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer – Einzelrichter – des LG Duisburg wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin zu 1) 3/4 und den Klägern zu 2) und 3) jeweils 1/8 auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin zu 1) darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 18.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leisten.

Die Kläger zu 2) und 3) dürfen die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 5.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leisten.

Die Sicherheiten können auch durch Bürgschaften einer deutschen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

 

Tatbestand

Die am 1.4.1973 geborene Klägerin zu 2) war im Jahre 1997 erstmals schwanger; als voraussichtlichen Geburtstermin ermittelte die sie betreuende Frauenärztin den 28.5.1997. Am 1.6.1997 erschien die Patientin nach 15.00 Uhr in der geburtshilflichen Klinik der Beklagten zu 1), deren Chefarzt der Beklagte zu 2) ist. Die Klägerin zu 2) hatte zu diesem Zeitpunkt mit 110 kg erhebliches Übergewicht und eine adipöse Bauchdecke; i.Ü. war ihr Zustand unauffällig. Ab 15.21 Uhr wurden die Wehentätigkeit und die Herzfrequenz der Leibesfrucht kontinuierlich mit einem Cardiotokographen überwacht; dabei zeigten sich bei einer weitgehend normalen Basisfrequenz phasenweise eine undulatorische Einengung, sporadische Akzelerationen und gelegentliche Dezelerationen; mitunter war die Aufschreibung lückenhaft, da die Ableitung der kindlichen Herztöne wegen der Adipositas der Bauchdecke und aufgrund von wehenbedingten Bewegungen der Patientin Schwierigkeiten bereitete. Gegen 17.49 Uhr führte die verantwortliche Stationsärztin, die Beklagte zu 3), eine vaginale Untersuchung durch; anschließend ordnete sie wegen der zeitweisen Unleserlichkeit der fetalen Herztonaufzeichnungen die Anlage einer Kopfschwartenelektrode an. Sie sprengte gegen 18.00 Uhr die Fruchtblase, aus der sich grünes Fruchtwasser entleerte; anschließend gelang es ihr nicht, die zur Ableitung erforderliche Elektrode zu platzieren. Erst der von der Beklagten zu 3) hinzugezogene Oberarzt Dr. P. war imstande, das ECG anzulegen. Wenig später war der Herzfrequenzverlauf silent; sodann traten tiefe Dezelerationen auf. Angesichts dieser Entwicklung wurde gegen 18.33 Uhr der Entschluss zu einer Notfallentbindung durch Kaiserschnitt gefasst; die Klägerin zu 2) wurde unverzüglich in den Operationssaal der Klinik gebracht; dort kam es um 18.42 Uhr zur Geburt der Klägerin zu 1). Diese atmete zunächst nicht; auch war keine Herztätigkeit festzustellen, so dass eine Reanimation stattfinden musste. Man verständigte die Kinderklinik der Städtischen Kliniken D. und behalf sich zwischenzeitlich mit einer Maskenbeatmung und einer Herzmassage. Das pädiatrische Team traf kurz nach 19.00 Uhr in der Frauenklinik ein und konnte letztlich nach einigen vergeblichen Wiederbelebungsversuchen die Herzaktion der Klägerin zu 1) in Gang setzen. Das Kind wurde in das perinatale Zentrum verlegt und musste dort bis zum 7.7.1997 stationär behandelt werden; es litt während dieser Zeit unter einem komplexen Schocksyndrom, einer massiven globalen Gerinnungsstörung, einem Hirnödem sowie unter einer vorübergehenden Anurie und unter vereinzelten generalisierten tonisch-klonischen Krampfanfällen.

Die Kläger machen Ersatzansprüche geltend. Sie haben behauptet, die kardiotokographischen Aufzeichnungen seien bereits unmittelbar nach der stationären Aufnahme auffällig und unvollständig gewesen; es wäre deshalb frühzeitig angebracht gewesen, die fetale Herzfrequenz mit Hilfe einer Kopfschwartenelektrode zu überwachen. Bei einem einwandfreien Vorgehen hätte die Beklagte zu 3) wesentlich früher eine Notsectio anordnen müssen, zumal das Fruchtwasser nach der Blasensprengung grün gewesen sei. Dem Beklagten zu 2) seien organisatorische Versäumnisse vorzuwerfen; insbesondere hätte ...

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