Leitsatz (amtlich)

1. Hat ein Arbeitgeber zur betrieblichen Altersversorgung seines Arbeitnehmers eine Kapitallebensversicherung abgeschlossen, so dient die von dem Arbeitnehmer nach § 1 BetrAVG erworbene unverfallbare Versorgungsanwartschaft ausschließlich seiner Altersversorgung.

2. Der Arbeitnehmer, der infolge seiner Erwerbsunfähigkeit auf die Auszahlung des Rückkaufswerts dringend angewiesen ist, ist durch § 2 Abs. 2 S. 5 BetrAVG ohne Verstoß gegen Art. 14 GG gehindert, den Rückkaufswert aufgrund einer Kündigung des Versicherungsvertrages vor dem festgesetzten Auszahlungszeitpunkt in Anspruch zu nehmen.

 

Normenkette

BetrAVG § 2 Abs. 2 S. 4–6, § 3; GG Art. 14

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Aktenzeichen 11 O 149/01)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 13.9.2001 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des LG Düsseldorf – Einzelrichter – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird gestattet, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des beizutreibenden Betrags abzuwenden, sofern nicht die Beklagte ihrerseits entspr. Sicherheit leistet.

Die Sicherheiten können auch durch Bankbürgschaft erbracht werden.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger beansprucht den Rückkaufswert einer Direktversicherung.

Auf Antrag vom 8.11.1978 (GA 5) schloss der ehemalige Arbeitgeber des Klägers, die Fa. G. B. – später B.-GmbH –, bei der Beklagten eine ab 1990 durch einen zweiten Vertrag de facto aufgestockte (GA 6) Kapitallebensversicherung zugunsten des Klägers mit einer Laufzeit von 30 Jahren ab. Von der im Formular vorgesehenen Möglichkeit, auch eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung abzuschließen, wurde kein Gebrauch gemacht. Dem Kläger war ein eingeschränkt widerrufliches Bezugsrecht eingeräumt, das der Fa. B den Widerruf u.a. bis zum Eintritt der Unverfallbarkeit gem. § 1 (1) des Gesetzes über die Altersversorgung (BetrAVG) vorbehielt. Die Prämien wurden vom Konto des Arbeitgebers abgebucht.

Die Versorgungsanwartschaft ist zwischenzeitlich unverfalllbar geworden (vgl. GA 22). Der Kläger war bis zur Betriebseinstellung im Jahre 2000 bei der Firma B.-GmbH beschäftigt. Mit Schreiben vom 27.12.2000 kündigte der Kläger, der einen Schlaganfall (GA 2) erlitten hatte und erwerbsunfähig geworden war (vgl. GA 12), die Lebensversicherungen (GA 8). Die Beklagte erklärte sich mit Blick auf § 2 Abs. 2 S. 5 BetrAVG außerstande, den Rückkaufswert an den Kläger auszuzahlen (vgl. GA 24).

Der Kläger hat gemeint, die Beklagte sei an das Verbot des § 2 Abs. 2 S. 4–6 BetrAVG („Der ausgeschiedene Arbeitnehmer darf die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag in Höhe des durch Beitragszahlung des Arbeitgebers gebildeten geschäftsplanmäßigen Deckungskapitals weder abtreten noch beleihen. In dieser Höhe darf der Rückkaufswert aufgrund einer Kündigung des Versicherungsvertrags nicht in Anspruch genommen werden; im Falle einer Kündigung wird die Versicherung in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt. § 176 Abs. 1 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag findet insoweit keine Anwendung”) nicht gebunden. Dieses Verbot gelte nicht uneingeschränkt. Er sei angesichts seiner Erwerbsunfähigkeit auf die Auszahlung des Rückkaufswertes dringend angewiesen. Die Beklagte brauche eine doppelte Inanspruchnahme nicht zu befürchten (vgl. GA 31).

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 103.985,27 DM nebst 9,26 % Zinsen seit dem 22.3.2001 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, sich über das gesetzliche Verbot auch angesichts der – teilweise bestrittenen – besonderen Notlage des Klägers nicht hinwegsetzen zu dürfen.

Das LG hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, dem Kläger stehe der Rückkaufswert wegen der besonderen Regelung in § 2 BetrAVG nicht zu. Das Verfügungsverbot sei bewusst strikt gefasst, um den Versorgungszweck nicht zu gefährden. Versorgungszweck sei vorliegend – abgesehen vom Todesfallrisiko – die Altersversorgung ab dem 65. Lebensjahr des Klägers. Das Gesetz sei weder auslegbar noch lückenhaft. Der Lebensversicherungsvertrag könne ebenfalls nicht dahin ausgelegt werden, dass auch das Risiko der Erwerbsunfähigkeit vom Versorgungszweck mit umfasst sei, zumal eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ausdrücklich nicht vereinbart gewesen sei.

Mit seiner Berufung macht der Kläger geltend, in letzter Konsequenz laufe die angefochtene Entscheidung darauf hinaus, dass ihm zugemutet werde, sein gesamtes Hab und Gut heute aufs Spiel setzen zu müssen, dafür aber später Leistungen zu erhalten, die ihm nichts mehr nützten und dann an die Sozialhilfe, die für ihn habe einspringen müssen, flössen (vgl. GA 63). Das könne nicht richtig sein. Sein Eigentumsrecht (Art. 14 GG) werde verletzt.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an ihn 103.985,27 DM nebst 9,26 % Zinsen seit dem 22.3.2001 zu zahlen...

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