Leitsatz (amtlich)

1. Zu dem notwendigen Vortrag eines Geschädigten, der unfallbedingten Ersatz seines Erwerbsschadens auf der Basis des Einkommens eines Wirtschaftspsychologen verlangt.

2. Ein unzureichendes Klagevorbringen zu einem bestimmten Beruf schließt die Schätzung eines Mindesterwerbsschadens nicht aus. Insoweit sind die sonstigen vorgetragenen, unstreitigen und bewiesenen tatsächlichen Anhaltspunkte zu den ohne den Unfall bestehenden Erwerbsmöglichkeiten zugrunde zu legen.

3. Zu den Auswirkungen eines mittelgradigen organischen Psychosyndroms auf die Erwerbsfähigkeit.

 

Normenkette

BGB § 104 Nr. 2, §§ 760, 843; StVG § 7 Abs. 1, §§ 11, 13; ZPO § 287

 

Verfahrensgang

LG Kleve (Aktenzeichen 3 O 140/16)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das am 29.03.2019 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Kleve (3 O 140/16) teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger für den Zeitraum Februar 2015 bis einschließlich September 2019 einen Betrag von 94.512,30 Euro nebst Zinsen aus einem Betrag von 1.785,00 Euro seit dem 01.02.2015, aus einem Betrag von 1.325,94 Euro seit dem 01.03.2015, aus einem Betrag von jeweils 1.159,00 Euro seit dem 01.04.2015, dem 01.05.2015, dem 01.06.2015, dem 01.07.2015, dem 01.08.2015, dem 01.09.2015, dem 01.10.2015, dem 01.11.2015 und dem 01.12.2015, aus einem Betrag von 1.079,12 Euro seit dem 01.01.2016 sowie aus einem Betrag von jeweils 1.150,00 Euro seit dem 01.02.2016, dem 01.03.2016, dem 01.04.2016, dem 01.05.2016, dem 01.06.2016, dem 01.07.2016, dem 01.08.2016 und dem 01.09.2016 zu zahlen.

Darüber hinaus werden die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger jeweils zum Monatsanfang, beginnend mit dem 01.09.2021, bis zum hypothetischen Zeitpunkt des Renteneintritts am 18.11.2051 einen Betrag von 1.785,00 Euro zu zahlen.

Schließlich werden die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, den Kläger von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Kanzlei A. gemäß Rechnung vom 25.02.2016 in Höhe von 3.196,34 Euro freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in 1. Instanz tragen der Kläger zu 55 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 45 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. pp.

II. Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

Dem Kläger steht nach § 7 Abs. 1, 11, 13 StVG, 843 BGB, 115 Abs. 1 Nr. VVG gegen die Beklagten ein Anspruch auf Ersatz eines Erwerbsschadens für den Zeitraum Februar 2015 bis August 2021 in Höhe von 94.512,30 Euro - zum Teil nebst Zinsen - und für den Zeitraum ab September 2021 bis zum hypothetischen Zeitpunkt des Renteneintritts am 18.11.2051 in Höhe von monatlich 1.785,00 Euro zu. Maßgeblich für die Ermittlung der Höhe des Anspruchs ist dabei nicht das Einkommen im Rahmen einer durch den Kläger trotz mehrfacher Hinweise des Senats nicht hinreichend dargelegten hypothetischen Erwerbstätigkeit als Wirtschaftspsychologe, sondern das Einkommen im Rahmen einer Tätigkeit in dem durch den Kläger nach dem Unfall erlernten Beruf des gestaltungstechnischen Assistenten. Da Angaben des Klägers zur Höhe eines insoweit erzielbaren Einkommens fehlen, kann nur eine hypothetische Mindestvergütung geschätzt werden, die sich auf einen Nettobetrag von 1.785,00 Euro pro Monat beläuft. Soweit der Kläger in der Vergangenheit kongruente Drittleistungen erhalten hat, sind diese in Abzug zu bringen. Den für den Zeitraum Mai 2014 bis Januar 2015 bestehenden Anspruch des Klägers hat die Beklagte zu 2) indes bereits durch Zahlungen in überschießender Höhe erfüllt, ohne dass dem der mit Schreiben vom 12.12.2014 erklärte Vorbehalt entgegensteht. Einen weiteren Anspruch auf Schmerzensgeld hat das Landgericht zutreffend unter Hinweis auf die durch den Kläger unterzeichnete Vergleichsvereinbarung aus dem Jahr 2009 abgelehnt. Dass diese Vereinbarung nicht wirksam zustande gekommen ist, weil er im Zeitpunkt des Abschlusses geschäftsunfähig gewesen ist, hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt.

Im Einzelnen:

1. Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Ersatz eines Verdienstausfallschadens, da er wegen unfallbedingter Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht mehr in der Lage ist, seine Arbeitskraft produktiv einzusetzen.

Dabei ist indes nicht auf eine Tätigkeit als Wirtschaftspsychologe abzustellen, weil der Kläger nicht hinreichend dargelegt hat, dass er ohne das Unfallereignis eine entsprechende Ausbildung absolviert hätte und in diesem Berufsfeld tätig geworden wäre.

Es ist unerheblich, dass sich die Höhe der durch die Beklagt...

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