Leitsatz (amtlich)

1. Rechnungsprüfung und Zahlungsanweisung des Bauherrn beinhalten, sofern sie nicht den Willen erkennen lassen, die Rechnung insgesamt oder bestimmte Rechnungspositionen dem Streit zu entziehen, kein deklaratorisches Anerkenntnis. Dies gilt auch, wenn Bauherr die öffentliche Hand ist.

2. In Überleitungsfällen nach Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 EGBGB ist der Beginn der neuen kurzen Verjährung nicht starr ab dem 1.1.2002 zu berechnen, sondern unter Einbeziehung der subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB.

3. Bei juristischen Personen kommt es bezüglich der subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis ihrer zur Vertretung befugten Organe an. Diese müssen sich in entsprechender Anwendung des § 166 BGB das Wissen derjenigen Bediensteten anrechnen lassen, die mit dem Aufgabenbereich, dem der Anspruch unterfällt, betraut sind.

4. Beauftragt die juristische Person einen Dritten mit der Wahrnehmung bestimmter Aufgaben (hier die Rechnungsprüfung durch Architekten) ist dessen Kenntnis dem zur Vertretung berufenen Organ der juristischen Person zuzurechnen, wenn der Dritte in umfassender Weise und selbständig die Angelegenheiten der juristischen Person wahrnimmt oder gerade zur Wahrnehmung dieser Interessen ggü. dem Vertragspartner eingeschaltet wurde.

 

Verfahrensgang

LG Kleve (Urteil vom 06.09.2006; Aktenzeichen 2 O 98/06)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 08.05.2008; Aktenzeichen VII ZR 106/07)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 6.9.2006 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Kleve teilweise geändert und wie folgt gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.412,34 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.1.2005 zu zahlen.

Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten der Streithelferin tragen diese selbst zu 90 % und die Beklagte zu 10 %.

Die übrigen Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 90 % und die Beklagte zu 10 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien dürfen die Vollsteckung der jeweiligen Gegenseite durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des gegen sie aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollsteckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht Rückzahlungsansprüche und Ansprüche auf Nutzungsentschädigung aus einem abgerechneten und bezahlten Bauvertrag über die Durchführung von Bodenaushub- und Abbrucharbeiten gegen die Beklagte geltend.

Die Klägerin führte das Gemeinschaftsprojekt G G, an der mehrere Gemeinden beteiligt waren, an der Gemeindegrenze der Städte M und N-V durch. Die Beklagte erhielt nach einer von der Streithelferin der Klägerin durchgeführten öffentlichen Ausschreibung gemäß der VOB/A von der Klägerin am 23.12.1999 den Auftrag über die Durchführung von Bodenaushub- und Abbrucharbeiten im Bereich B, 2. Bauabschnitt, gemäß dem Angebot der Beklagten vom 23.11.1999. Der Auftrag umfasste unter Pos. 1.02 den "Fließgewässerausbau", wobei Zulagen für den Abbruch von unbewehrten und bewehrten Stahlbetonteilen vorgesehen waren. Unter Pos. 1.03 "Kreuzung vorhandener Leitungen" erfasste der Auftrag u.a. den Abbruch eines Betonstollens und den Abtransport von Betonteilen. Die Beklagte rechnete nach Ausführung der Arbeiten den Auftrag in ihrer Schlussrechnung vom 26.6.2000 mit insgesamt 148.492,12 EUR ab. Die sich nach Abzug von Abschlagszahlungen ergebende Restforderung von 29.033,02 EUR glich die Klägerin im August/September 2000 nach Prüfung der Rechnung durch die Streithelferin aus. Im Rahmen einer Rechnungsprüfung anlässlich der Vorbereitung von Prüfungen durch den Landesrechnungshof kam die Streithelferin zu dem Ergebnis, dass die von der Klägerin abgerechneten Zulagepositionen 1.2.200170 und 1.2.200180 zu Unrecht und die Positionen 1.3.200210 und 01.03.230 mit falschen Massen (320m3 statt richtig 224m3) abgerechnet wurden. Die Klägerin hat daraufhin eine Überzahlung von 42.652,61 EUR errechnet und diesen Betrag sowie 6.495,95 EUR vertraglich vereinbarte Zinsen für den Zeitraum September 2000 bis Januar 2005 (53 Monate) mit dem am 8.8.2005 bei Gericht eingegangenem Mahnbescheid gegen die Beklagte geltend gemacht. Die Beklagte hat sich demgegenüber auf Verjährung berufen und behauptet, dass die Abrechnung einer Absprache mit dem Bauleiter der Klägerin, der das Aufmaß abgezeichnet hat, entspreche und zutreffend sei.

Das LG hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

Es könne dahinstehen, ob die Klageforderung, die sich nur aus ungerechtfertigter Bereicherung begründen lasse, zu Recht bestehe. Nach den bis zum 31.12.2001 anzuwendenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches habe die Verjährungsfrist für Bereicherungsansprüche 30 Jahre betragen. Diese Frist sei zum 1.1.2002 von den neuen Verjährungsvorschriften gemäß dem Gesetz zur Modernisierung des Sc...

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