Leitsatz (amtlich)

1. Hat ein Rechtsanwalt es versäumt, für seine Mandantin vor In-Kraft-Treten des VersAusglG (1.9.2009) einen eigenen Scheidungsantrag zu stellen, haftet er für den Schaden, der ihr durch den Versorgungsausgleich nach dem für sie ungünstigeren neuen Versorgungsausgleichsrecht entsteht, sofern das Familiengericht bei rechtzeitiger Antragstellung im ersten Rechtszug noch vor Ablauf des 31.8.2010 eine Endentscheidung getroffen hätte. Ob das der Fall gewesen wäre, hat das Regressgericht nach § 287 ZPO zu beurteilen.

2. Die geschädigte Mandantin kann grundsätzlich verlangen, dass der verantwortliche Rechtsanwalt sie im Wege der Naturalrestitution durch entsprechende Zahlungen an den Rentenversicherer so stellt, wie sie stünde, wenn der Versorgungsausgleich nach altem Recht durchgeführt worden wäre.

3. Ersatz dafür, dass sie an den Berufsunfähigkeitsrenten ihres Ehemannes nicht im Wege der Anordnung von Beitragszahlungen profitiert hat, kann die geschädigte Mandantin nur verlangen, wenn die Voraussetzungen des § 3b Abs. 1 Nr. 2 VAHRG a.F. erfüllt gewesen wären. Anderenfalls ist sie nur so zu stellen, als ob die Berufsunfähigkeitsrenten durch das erweiterte Splitting gem. § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG a.F. ausgeglichen worden wären und sie auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verwiesen worden wäre. Schadensersatz durch Zahlung an die Rentenversicherung Bund zugunsten ihres Rentenversicherungskontos kann sie wegen des nicht durchgeführten erweiterten Splittings indes nicht verlangen, weil kein Fall des § 187 SGB VI vorliegt.

 

Verfahrensgang

LG Krefeld (Urteil vom 23.02.2012; Aktenzeichen 5 O 264/11)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 23.2.2012 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des LG Krefeld - Einzelrichterin - teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung wie folgt insgesamt neu gefasst:

I.1. Die Beklagten zu 2), 3) und 5) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Deutsche Rentenversicherung Bund zugunsten des Rentenversicherungskontos Nr. 53020764 B 580, 4699 der Klägerin den Betrag zu zahlen, der zum Zeitpunkt der Zahlung nach dem dann geltenden Umrechnungsfaktor erforderlich ist, um 5,4856 EP bei der Deutschen Rentenversicherung zu erwerben, derzeit 34.885,21 EUR.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 2), 3) und 5) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, die Klägerin so zu stellen, wie sie stünde, wenn ihr nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Recht der schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorbehalten worden wäre.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 2), 3) und 5) verpflichtet sind, der Klägerin jeglichen weiteren bereits entstandenen wie auch künftig entstehenden Schaden zu ersetzen, der ihr aus der Schlechterfüllung des Anwaltsvertrags dadurch entstanden ist, dass der Versorgungsausgleich in ihrer Scheidung von Herrn Ulrich Kähler nicht nach dem alten bis zum 31.8.2009 geltenden Versorgungsausgleichsrecht, sondern nach dem ab dem 1.9.2009 geltenden neuen Versorgungsausgleichsrecht geregelt wurde.

4. Die Beklagten zu 2), 3 und 5) werden weiter als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 1.014,18 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3.3.2011 zu zahlen.

5. Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.

II. Die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Klägerin zu 85 % und die Beklagten zu 2), 3) und 5) als Gesamtschuldner zu 15 %.

Die den Beklagten zu 2), 3) und 5) entstandenen außergerichtlichen Kosten trägt die Klägerin zu 75 %; im Übrigen tragen diese ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Die den Beklagten zu 1) und 4) in beiden Instanzen entstandenen außergerichtlichen Kosten trägt die Klägerin.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung des jeweils anderen Teils durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: bis 230.000 EUR

bis zum 15.11.2012: 1.270,86 EUR + 148.710,04 EUR + 33.041,59 EUR = 193.022,49 EUR zzgl. Feststellungsanträge;

ab dem 16.11.2012: 11.358,56 EUR + 157.548 EUR + 34.885,21 EUR = 203.791,77 EUR zzgl. Feststellungsanträge.

 

Gründe

Die Klägerin lebte seit Mai 2007 von ihrem inzwischen von ihr geschiedenen Ehemann (im Folgenden: Ehemann) getrennt. Unter dem 28.7.2008 stellte dieser Scheidungsantrag. Der Ehemann war selbständiger Fliesenleger, bezog aber schon zur damaligen Zeit zwei private Berufsunfähigkeitsrenten bei der I. Lebensversicherung AG. In der gesetzlichen Rentenversicherung hatte die Klägerin zum Ehezeitende höhere Anwartschaften als ihr Ehemann erworben.

Das Scheidungsverfahren wurde im Verbund mit dem Versorgungsausgleich vor dem AG Geldern unter dem Aktenzeichen 27 F 67/08 geführt. Mit Verfügung vom 7.11.2008 hob der zuständige Familienrichter den auf den 11.1...

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