Leitsatz (amtlich)

›Auf öffentlichen Parkplätzen gilt die Vorfahrtregel des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO ("rechts vor links") nur, wenn die "Fahrbahnen" zwischen den einzelnen Abstellplatzreihen den Charakter von Straßen haben, und auch dann nur für den darauf "fließenden Verkehr", nicht aber zwischen diesem und den in einen Abstellplatz einfahrenden oder aus einem solchen ausfahrenden Fahrzeugführern. Für die zuletzt Genannten gelten die Regeln des § 1 Abs. 2 StVO bzw. der §§ 9 Abs. 5, 10 StVO entsprechend.‹

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat die Betroffene "wegen einer fahrlässigen Vorfahrtverletzung" zu einer Geldbuße von 120,-- DM verurteilt. Hiergegen wendet sich die Betroffene mit der Rechtsbeschwerde. Mit dem durch besonderen Beschluß vom heutigen Tage zugelassenen Rechtsmittel rügt sie die Verletzung materiellen Rechts.

Das Rechtsmittel erweist sich als begründet.

II.

1.

Das Amtsgericht hat festgestellt:

"Die Betroffene befuhr am 28.01.1999 gegen 11.45 Uhr mit dem PKW VW, amtliches Kennzeichen KR-, in Krefeld den Zooparkplatz an der Uerdinger Straße. Hierbei handelt es sich um einen öffentlichen Parkplatz, der Tag und Nacht frei zugänglich ist. Die Betroffene mißachtete die Vorfahrt der von rechts kommenden Zeugin, die den Parkplatz mit dem PKW KR- in westlicher Richtung befuhr. Die Betroffene fuhr in die linke Seite des von der Zeugin geführten PKW's, wobei ein Sachschaden von ca. 5.000,00 DM entstand. Aufgrund dieses Zusammenstoßes geriet die Zeugin gegen den PKW des Zeugen, der in einer Parktasche abgestellt war. Am Fahrzeug des Zeugen entstand ein Sachschaden von ca. 3.000,00 DM."

2.

Die Betroffene stellt ihre Beteiligung an der Verursachung des Unfalls nicht in Abrede. Sie ist allerdings der Auffassung, sie habe sich zwar einer Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 1 Abs. 2 StVO, nicht jedoch der Vorfahrtverletzung zum Nachteil der Zeugin schuldig gemacht, da die Regel "rechts vor links" (§ 8 Abs. 1 Satz 1 StVO) auf einem Parkplatz nicht gelte.

3.

Das Amtsgericht hat die gegenteilige Rechtsauffassung vertreten und dazu in den Urteilsgründen u.a. ausgeführt:

"Nach dem festgestellten Sachverhalt war die Betroffene wegen einer fahrlässigen Vorfahrtverletzung ... in eine Geldbuße zu nehmen.

Da es sich vorliegend um einen öffentlichen, frei zugänglichen Parkplatz handelt, ist die Vorfahrtregel "rechts vor links" anzuwenden."

III.

Die Feststellungen des angefochtenen Urteils tragen den Schuldspruch wegen einer tateinheitlich mit einem Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO fahrlässig begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit der Vorfahrtverletzung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO nicht.

1.

Zutreffend hat das Amtsgericht allerdings den Parkplatz als öffentlichen Verkehrsraum angesehen und demgemäß angenommen, daß die Regeln der Straßenverkehrsordnung grundsätzlich Anwendung finden. Das entspricht für öffentliche Parkplätze, d.h. für solche, die jedermann tatsächlich zugänglich sind, seit jeher gefestigter Rechtsprechung (vgl. Senat VRS 61, 455 m.w.N.; ferner Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Aufl., § 1 StVO Rdnr. 14; Mühlhaus/Janiszewski, StVO, 15. Aufl., § 1 Rdnr. 14 und § 12 Rdnr. 66, beide ebenfalls m.w.N.).

2.

Nach den vom Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen kann indes nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß im vorliegenden Fall die Vorfahrtregel des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO - "rechts vor links" - anwendbar ist.

a)

Nach der genannten Bestimmung hat an Kreuzungen und Einmündungen Vorfahrt, wer von rechts kommt. Eine Kreuzung ist die Schnittfläche zweier oder mehrerer sich schneidender Fahrbahnen verschiedener Straßen, die sich jenseits, u.U. seitlich versetzt, fortsetzen (vgl. Senat, a.a.O.; Jagusch/Hentschel, a.a.O., § 8 Rdnr. 32; Mühlhaus/Janiszewski, a.a.O., § 8 Rdnr. 4, alle m.w.N.). Eine Einmündung ist das - rechtwinkelige oder schräge - Zusammentreffen einer Straße mit einer durchgehenden Straße ohne Fortsetzung über diese hinaus (vgl. Senat, a.a.O.; Jagusch/Hentschel, a.a.O., § 8 StVO Rdnr. 33; Mühlhaus/Janiszewski, a.a.O., § 8 StVO Rdnr. 5, alle m.w.N.).

b)

Daraus folgt, daß für die Anwendung der Vorfahrtregel des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO auf den Parkplatzverkehr nicht generell, sondern nur dann Raum ist, wenn die "Fahrbahnen" zwischen den einzelnen Abstellplatzreihen den Charakter von Straßen haben und die Vorrangfrage zwei Parkplatzbenutzer betrifft, die beim Befahren der Fahrbahnen mit Straßencharakter an einer Kreuzung oder Einmündung gleichzeitig zusammentreffen (vgl.. Senat, a.a.O.; Jagusch/Hentschel, a.a.O., § 8 StVO Rdnr. 31 a; Mühlhaus/Janiszewski, a.a.O., § 12 StVO Rdnr. 66 sowie § 8 StVO Rdnr. 46). Weiter ergibt sich daraus, daß die Vorfahrtregel "rechts vor links" nur für den "fließenden Verkehr" gilt, vorausgesetzt, die "Fahrbahnen" zwischen den einzelnen Abstellplätzen haben - wie erwähnt - den Charakter von Straßen (vgl. Senat a.a.O., m.w.N.). Andernfalls besteht für die Teilnehmer des Parkplatzverkehrs Verständigungspflicht (vgl. Jagusch/Hentschel, a.a.O., § 8 StVO Rdnr. 31 a). Im Verhältnis des "...

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