Leitsatz (amtlich)

1. Nimmt ein Kläger mehrere Beklagte, die ihren allgemeinen Gerichtsstand bei verschiedenen Gerichten haben, wegen der Mangelhaftigkeit seines Fahrzeugs aufgrund falscher Angaben über den Schadstoffausstoß in Anspruch und stützt er seine Ansprüche gegenüber beiden Beklagten vorrangig darauf, dass sie ihn bei dem Kauf des PKW zurechenbar arglistig getäuscht hätten, kommt eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht in Betracht, weil der gemeinschaftliche besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gemäß § 32 ZPO besteht.

2. Von § 32 ZPO werden unerlaubte Handlungen im weiteren Sinn erfasst, worunter auf die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung fällt, wenn die Anfechtung aufgrund einer unerlaubten Handlung erklärt worden ist.

 

Verfahrensgang

LG Krefeld (Aktenzeichen 7 O 49/17)

 

Tenor

Eine Zuständigkeitsbestimmung wird abgelehnt.

 

Gründe

I. Der Kläger erwarb von der Beklagten zu 1) mit Kaufvertrag vom 10.12.2012 einen Volkswagen Passat Variant 2,0 TDI Highline. In diesen PKW hat die Beklagte zu 2) einen Dieselmotor des TYPS EA 189 eingebaut. Da dieser Motor mit einer Softwaresteuerung ausgerüstet sei, die dazu führe, dass die Abgasreinigungsanlage in den standardisierten Prüfungssituationen so arbeitet, dass möglichst wenige Stickoxide (NOx) entstehen, während im normalen Fahrbetrieb Teile dieser Abgaskontrollanlage außer Kraft gesetzt würden, hat der Kläger die Anfechtung und hilfsweise den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt.

Er beruft sich darauf, dass das Fahrzeug einen nicht behebbaren Mangel aufweise, jedenfalls eine Mangelbeseitigung durch Aufspielen des von der Beklagten zu 2) avisierten Softwareupdates nicht zumutbar sei. Ferner habe die Beklagte zu 2) durch Vorspiegelung falscher Tatsachen betreffend die Angaben über den Schadstoffausstoß neben einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung auch den Tatbestand des Betruges erfüllt, was sich die Beklagte zu 1) als Vertragshändlerin zurechnen lassen müsse.

Er verlangt von der Beklagten zu 1) Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs und Feststellung des Annahmeverzugs.

Gegenüber der Beklagten zu 2) begehrt der Kläger die Feststellung der Schadensersatzpflicht für Schäden, "die aus der Manipulation" des gekauften Fahrzeugs resultieren.

Nachdem die Beklagte zu 2) die Unzuständigkeit des angerufenen Landgerichts Krefeld gerügt hat, beantragt der Kläger, für beide Beklagte die Bestimmung des zuständigen Gerichts.

In diesem Verfahren hatten die Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Beklagten halten den Antrag für unbegründet, da die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht gegeben seien. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Vorwürfe gegenüber beiden Beklagten fehle es an den Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 59, 60 ZPO, so dass eine Streitgenossenschaft nicht in Betracht komme.

II. 1. Das Oberlandesgericht Düsseldorf ist als das im Rechtszug zunächst höhere Gericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichtes gemäß § 36 Abs. 2 ZPO berufen, weil das zuerst mit der Sache befasste Landgericht Krefeld in seinem Bezirk liegt.

2. Nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bestimmt das im Rechtszug zunächst höhere Gericht das zuständige Gericht, wenn mehrere Parteien, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist.

a) Der Kläger nimmt die Beklagten als Streitgenossen im Sinne der §§ 59, 60 ZPO in Anspruch. § 60 ZPO beruht weitgehend auf Zweckmäßigkeitserwägungen und ist deshalb grundsätzlich weit auszulegen. Dies gestattet es, auch ohne Identität oder Gleichheit des tatsächlichen und rechtlichen Grundes der geltend zu machenden Ansprüche Streitgenossenschaft anzunehmen, wenn diese Ansprüche in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt (BGH, Beschluss vom 03.05.2011, X ARZ 101/11, NJW-RR 2011, 1137). Der Kläger nimmt die Beklagten wegen der Mangelhaftigkeit seines Fahrzeuges aufgrund falscher Angaben über den Schadstoffausstoß in Anspruch und stützt seinen Ansprüche gegenüber beiden Beklagten jedenfalls auch darauf, dass sie ihn zurechenbar arglistig getäuscht hätten. Der sachliche Zusammenhang wird nicht dadurch aufgehoben, dass der Kläger gegen die Beklagte zu 1) auch Ansprüche aus dem Kaufvertrag geltend macht. Trotz der bestehenden Unterschiede erscheinen die erhobenen Ansprüche ihrem Wesen nach gleichartig, weil der Kläger seine Ansprüche damit begründet, bei dem Kauf seines Fahrzeuges arglistig getäuscht worden zu sein, mit der Folge, ein mangelhaftes Fahrzeug erworben zu haben, wozu beide Beklagte als Händler bzw. als Hersteller des Dieselmotors einen Beitrag geleistet haben.

Im Ergebnis kommt es jedoch nicht darauf an, ob die Beklagten als Streitgenossenschaft gemäß §§ 59, 60 ZPO anzusehen sind, denn die Frage, ob die Beklagten Streitgenossen im Sinne des § 60 ZPO...

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