Leitsatz (amtlich)

Nach vollständiger Verbüßung einer Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen vorsätzlicher Straftaten tritt Führungsaufsicht auch dann ein, wenn keine der Einzelstrafen zwei Jahre erreicht (Fortführung der Senatsrechtsprechung, vgl. Beschluss vom 28.10.1997 - 3 Ws 738/97 - JMBl. NW 1998, 91).

 

Verfahrensgang

LG Wuppertal (Entscheidung vom 15.08.2002; Aktenzeichen 1 StVK 515/02)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird als unbegründet auf Kosten des Verurteilten verworfen.

 

Gründe

I.

Der Verurteilte hat bis zum 3. September 2002 eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten vollständig verbüßt, die durch Urteil des Amtsgerichts - Schöffengericht - Velbert vom 12. Dezember 2000 unter Einbeziehung eines Urteils des Amtsgerichts - Schöffengericht - Krefeld vom 8. April 1999 wegen Betruges in vier Fällen gegen ihn verhängt worden war. Die in dem Urteil des Amtsgerichts Velbert festgesetzten Einzelstrafen betrugen jeweils neun Monate, die in dem einbezogenen Urteil des Amtsgerichts Krefeld festgesetzten - vierzehn - Einzelstrafen betrugen jeweils sechs Monate.

II.

Durch den angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer angeordnet, dass die Führungsaufsicht nicht entfällt; daneben hat sie weitere Entscheidungen zur Ausgestaltung der Führungsaufsicht getroffen.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, sachlich jedoch nicht begründet.

1.

Die Strafvollstreckungskammer hat zu Recht entschieden, dass die Führungsaufsicht nicht gemäß § 68 f Abs. 2 StGB entfällt. Die in § 68 f Abs. 1 StGB bestimmten Voraussetzungen für den Eintritt der Führungsaufsicht kraft Gesetzes liegen vor, da der Verurteilte eine wegen vorsätzlicher Straftaten verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren vollständig verbüßt hat. Dass keine der in die Gesamtfreiheitsstrafe eingeflossenen Einzelstrafen zwei Jahre oder mehr betrug, steht dem Eintritt der Führungsaufsicht gemäß § 68 f Abs. 1 StGB nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nicht entgegen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 23.10.1989 - 3 Ws 722/89; vom 28.10.1997 - 3 Ws 738/97 - JMBl. NW 1998, 91; vom 14.10.2002 - 3 Ws 365, 392 - 395/02; ebenso OLG Düsseldorf - 1. Strafsenat - NStZ-RR 2000, 347; MDR 1981, 336; OLG Düsseldorf - 5. Strafsenat - MDR 1981, 70; OLG Frankfurt/Main MDR 1982, 164; OLG Hamburg NStZ-RR 1996, 262; OLG München NStZ 1984, 314 [315]; OLG Nürnberg NStZ-RR 1998, 124; Tröndle/Fischer, StGB, 51. Auflage, § 68 f Rn. 3; Zipf JR 1979, 117; Kürschner JR 1982, 340 [341]). Der Senat sieht auch unter Berücksichtigung der insoweit abweichenden neueren Rechtsprechung u.a. des 4. Strafsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Beschluss vom 18. Juli 2001 - 4 Ws 229 - 230/01 -; ebenso OLG Bamberg NStZ-RR 2000, 81; OLG Celle StV 1982, 227; OLG Hamm NStZ-RR 1996, 31; NStZ 1996, 407; NStZ-RR 1998, 61 [zur Führungsaufsicht bei Einheitsjugendstrafe]; KG NStZ-RR 1999, 138; OLG Karlsruhe NStZ 1981, 182; OLG Koblenz MDR 1980, 72; OLG Köln NStZ-RR 1997, 4; OLG Schleswig JR 1982, 339; OLG Stuttgart NStZ 1992, 101; OLG Zweibrücken StV 1986, 541; LG Heilbronn MDR 1987, 691; LG Osnabrück StV 1986, 26; LG Regensburg MDR 1983, 423 [424]; Schönke/Schröder/Stree, 26. Auflage, § 68 f Rn. 4; LK-Hanack, 11. Auflage, § 68 f Rn. 14) keinen Anlass, von seiner Auffassung abzugehen. Für die hier vertretene Auffassung sprechen sowohl der Wortlaut des § 68 f Abs. 1 StGB als auch der Gesetzeszweck.

a)

Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 23. Oktober 1989 (3 Ws 722/89) ausgeführt hat, besagt der Umstand, dass in § 68 f Abs. 1 StGB von einer vorsätzlichen Straftat die Rede ist, nicht, dass eine vollständig verbüßte Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren gerade wegen einer einzigen Tat verhängt worden sein muss. Hiergegen spricht bereits der Vergleich mit § 68 Abs. 1 StGB, wonach die Führungsaufsicht unter bestimmten weiteren Voraussetzungen angeordnet werden kann, wenn der Täter eine zeitige Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verwirkt hat. Der Begriff der Verwirkung einer Strafe hat im Strafgesetzbuch durchgängig die Bedeutung eines abstrakten, das Unrecht der einzelnen Tat erfassenden Unwerturteils, wohingegen mit Verurteilung der konkrete Rechtsfolgenausspruch wegen einer oder mehrerer Taten gemeint ist (siehe §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1, 59 Abs. 1, 60 Satz 2 StGB). Dies ergibt sich auch aus § 66 Abs. 2 StGB, wo für die Anordnung der Sicherungsverwahrung ausdrücklich zwischen der Verwirkung einer (Einzel-) Strafe und der Verurteilung wegen "einer oder mehrerer Taten" unterschieden wird. Hätte der Gesetzgeber den Eintritt der Führungsaufsicht gemäß § 68 f Abs. 1 StGB nur für den Fall der vollständigen Verbüßung einer mindestens zweijährigen Einzelstrafe anordnen wollen, so hätte er dies ebenso wie im Fall des § 68 Abs. 1 StGB dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er sich auch insoweit des Begriffs der Verwirkung bedient hätte.

Der hier vertretenen Auffassung kann nicht entgegengehalten werden, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die ...

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