Leitsatz (amtlich)

Der bei Urteilsverkündung unterlassene Bewährungsbeschluss gemäß § 268 a StPO kann nicht später nachgeholt werden.

 

Verfahrensgang

AG Erkelenz (Entscheidung vom 22.02.2006; Aktenzeichen 4 Ds 703 Js 637/05 - 901/05)

 

Tenor

  • 1.

    Der mit dem Urteil des Amtsgerichts Erkelenz vom 22. Februar 2006 (4 Ds 703 Js 637/05 - 901/05 ) verbundene Bewährungsbeschluss ist entfallen.

  • 2.

    Der Erlass eines nachträglichen Bewährungsbeschlusses ist unzulässig.

  • 3.

    Der Verurteilte ist hinsichtlich des Eintritts der gesetzlichen Mindestbewährungszeit von zwei Jahren und des Erfordernisses straffreier Führung zu belehren.

  • 4.

    Für diese Belehrung ist gemäß § 268a Abs. 3 StPO das Amtsgericht Erkelenz zuständig.

 

Gründe

Das Amtsgericht Erkelenz hat den früheren Angeklagten am 24. November 2006 unter Einbeziehung einer Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Erkelenz vom 22. Februar 2006 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Auf seine Berufung hat die 10. kleine Strafkammer des Landgerichts Mönchengladbach ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Einen Bewährungsbeschluss gemäss § 268a StPO hat es im Anschluss an die Verkündung des Urteils nicht erlassen. Seitdem sind der Strafrichter des Amtsgerichts Erkelenz und die 10. kleine Strafkammer uneinig darüber, wer für dessen Erlass zuständig ist, so dass die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt worden ist.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat wie folgt Stellung genommen:

"Gemäß § 14 StPO entscheidet das gemeinsame obere Gericht dann, wenn zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit besteht. Voraussetzung für eine solche obergerichtliche Zuständigkeitsbestimmung ist aber, dass überhaupt eine gerichtliche Entscheidung ansteht, die zu fällen das eine oder das andere Gericht berufen wäre. Dies ist vorliegend indes nicht der Fall. Vielmehr ist der nachträgliche Erlass eines bei der Urteilsverkündung vergessenen Bewährungsbeschlusses unzulässig.

In der älteren Rechtsprechung und Literatur wurde zwar - zumeist unter Bezugnahme auf die hinsichtlich der in Rede stehenden Streitfrage nicht näher begründeten gerichtlichen Entscheidungen des Kammergerichts (NJW 1957, 275) und des Oberlandesgerichts Celle (MDR 1970, 68) - die Auffassung vertreten, der Bewährungsbeschluss gemäß § 268a StPO könne, falls er in der Hauptverhandlung versehentlich nicht verkündet worden ist, in entsprechender Anwendung des § 453 StPO nachträglich erlassen werden (OLG Koblenz MDR 1981, 423; OLG Düsseldorf MDR 1982, 1042; LG Osnabrück NStZ 1985, 378, 379; offengelassen von OLG Köln NStZ 1991, 453, 454; NStZ-RR 2000, 338). Dies wurde, wenn überhaupt, damit begründet, dass anderenfalls eine Bewährungsaufsicht hinsichtlich der bereits durch das Urteil angeordneten Bewährung nicht möglich sei (so LG Osnabrück a.a.O.). In der Literatur wird diese Ansicht - freilich ohne nähere Begründung oder Auseinandersetzung mit der Gegenmeinung - zum Teil bis heute vertreten (Fischer in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 4. Auflage, § 453, Rn. 3; Meyer-Goßner, StPO, 49. Auflage, § 268a, Rn. 8; § 453, Rn. 2; Wendisch in: Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Auflage, § 453, Rn. 49; Stöckel in: Kleinknecht/Müller/ Reitberger, Kommentar zur StPO, 8. Auflage, § 453, Rn. 6f.).

Dem gegenüber wird der Erlass eines nachträglichen Bewährungsbeschlusses von anderen nur mit der Einschränkung für zulässig erachtet, dass die Entscheidung über die Modalitäten der Bewährung aufgrund entsprechender näherer Ausführungen in den Urteilsgründen zur Dauer der Bewährungszeit sowie zu Art und Umfang von Weisungen und Auflagen nachvollzogen werden kann (OLG Frankfurt StV 1983, 24; OLG Dresden NJ 2001, 323, 324; Engelhardt in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Auflage, § 268a, Rn. 9; Horn in: Systematischer Kommentar zum StGB, 8. Auflage, § 56, Rn. 34; Voll in: Kleinknecht/Müller/Reitberger, Kommentar zur StPO, 8. Auflage, § 268a, Rn. 8). Begründet wird diese Einschränkung damit, dass nur in diesem Fall der innere sachliche Zusammenhang zwischen Bewährungsbeschluss und Urteil in einer der Regelung des § 268a StPO und seiner Zielsetzung entsprechenden Weise gewahrt werde. Dieser innere Zusammenhang ergebe sich vor allem daraus, dass die Frage, ob die Verurteilung als solche im Zusammenwirken mit Weisungen und Auflagen eine günstige Prognose rechtfertigt, oftmals entscheidend dafür ist, ob die Strafaussetzung zur Bewährung überhaupt angeordnet werden kann. Zudem müsste ein nachträglicher Beschluss gegebenenfalls ohne Mitwirkung der durch § 268a StPO gesetzlich zur Entscheidung auch über die Bewährungsfrage berufenen Schöffen ergehen.

Soweit ersichtlich, wurde die Möglichkeit des nachträglichen Erlasses eines zuvor vergessenen Bewährungsbeschlusses erstmals durch das Landgericht Kempten (NJW 1978, 839) grundsätzlich und ausnahmslos verneint, da die Vorschrift des § 268a StPO, nach der der Bewährungsbeschluss mit dem Urteil zu ver...

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