Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit eines im Prozessvergleich enthaltenen Erbvertrags. Genehmigung durch die Prozesspartei. Einwand von Treu und Glauben im Erbscheinsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Soll in einem gerichtlichen Vergleich zugleich ein Erbvertrag geschlossen werden, ist dieser nur dann formwirksam, wenn die Partner des Erbvertrages ihn persönlich genehmigen.

2. Soweit nach der Sitzungsniederschrift ein gerichtlicher Vergleich genehmigt worden ist, bedarf es zur Annahme eines wirksamen Erbvertragsschlusses der ausdrücklichen Feststellung, dass diese Genehmigung nicht nur durch den Verfahrensbevollmächtigten, sondern auch durch die persönlich anwesende Partei erteilt worden ist.

 

Normenkette

BGB §§ 127a, 242, 2274, 2276; FGG § 12

 

Verfahrensgang

LG Mönchengladbach (Aktenzeichen 5 T 175/06)

AG Viersen (Aktenzeichen 8 VI 181/05)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben; die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das LG Kleve zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Der Erblasser war bis zu seinem Tod in dritter Ehe mit der Beteiligten zu 1) verheiratet, der Beteiligte zu 2) ist das einzige Kind des Erblassers aus dessen erster Ehe.

Im mündlichen Scheidungstermin vor dem LG Düsseldorf am 19.11.1976, in dem der Erblasser, sein Prozessbevollmächtigter und seine erste Ehefrau anwesend waren, wurde ein Vergleich geschlossen.

In dem Protokoll ist hierzu vermerkt:

Für den Fall der Scheidung schlossen die Parteien den aus der Anlage ersichtlichen Vergleich, der vorgelesen und genehmigt wurde.

Der dem Protokoll als Anlage beigefügte Vergleich enthält u.a. Regelungen zur Vermögensauseinandersetzung und zum Unterhalt. Die Nr. 12 des Vergleichs lautet:

Der Kläger setzt hiermit seinen Sohn C. zum alleinigen Erben ein. Dieses soll auch für den Fall gelten, dass er erneut wieder heiratet.

Durch Urteil des LG Düsseldorf vom selben Tag - 15 R 226/76 - wurde die Ehe geschieden.

Die Beteiligte zu 1) hat einen Erbschein beantragt, nach dem sie und der Beteiligte zu 2) den Erblasser aufgrund gesetzlicher Erbfolge jeweils zur Hälfte beerbt haben.

Sie hat geltend gemacht:

In einem Prozessvergleich könne kein Testament errichtet werden. Ein Erbvertrag sei nicht zustande gekommen. Es sei nicht eindeutig erkennbar, wer die Vertragsschließenden seien, außerdem fehle es an einer Angebotsannahme.

Der Beteiligte zu 2) hat einen Erbschein beantragt, wonach er aufgrund einer letztwilligen Verfügung des Erblassers Alleinerbe geworden ist und hierzu die Auffassung vertreten, durch den Vergleich sei ein Erbvertrag geschlossen worden.

Das AG hat in einem Vorbescheid vom 6.3.2006 angekündigt, dass es beabsichtige, unter gleichzeitiger Ablehnung des Antrags der Beteiligten zu 1) dem Antrag des Beteiligten zu 2) zu entsprechen und diesem einen Erbschein zu erteilen, der ihn als Alleinerben ausweist.

Zur Begründung hat das AG ausgeführt:

Es liege ein wirksamer einseitiger Erbvertrag vor, durch den der Beteiligte zu 2) als Alleinerbe eingesetzt worden sei. Im Unterschied zum Testament enthalte ein Erbvertrag mindestens eine vertragsmäßige Verfügung mit Bindungswirkung i.S.d. § 2289 BGB. Er sei mithin vom Erblasser nicht mehr frei widerruflich, weil er seine Testierfreiheit im Umfang der von ihm freiwillig eingegangenen Bindung aufgegeben habe. Einseitig sei der Erbvertrag, wenn - wie hier - nur der Erblasser vertragsmäßige Verfügungen von Todes wegen treffe, auch wenn sich der lediglich annehmende Vertragspartner gleichzeitig zu Leistungen unter Lebenden verpflichte (vgl. Palandt/Edenhofer, BGB, 64. Aufl., Überblick vor § 2274 Rz. 2). Vorliegend sei eine Bindungswirkung von dem Erblasser und seiner ersten Ehefrau offensichtlich gewollt gewesen. So ergebe sich bereits aus den übrigen Regelungen des für den Fall der Scheidung getroffenen Prozessvergleichs, in denen sich die erste Ehefrau ihrerseits u.a. verpflichtet habe, den hälftigen Miteigentumsanteil des ehelichen Hauses an den Erblasser zu übertragen, dass die Erbeinsetzung des gemeinsamen Sohnes der Eheleute für den Erblasser nicht frei widerruflich sein sollte. Dass die Parteien eine vertragliche Regelung gewollt hätten, folge auch aus dem Umstand, dass die Alleinerbeinsetzung auch für den Fall der Wiederheirat des Erblassers Bestand haben sollte.

Der Erbvertrag sei auch nicht mangels Eindeutigkeit der Vertragsschließenden oder aus anderen Gründen formungültig. Aus dem Sitzungsprotokoll des LG Düsseldorf vom 19.11.1976 gehe eindeutig hervor, dass Vertragsparteien die Prozessparteien seien. Der Sohn des Erblassers sei hingegen nicht Vertragspartei, sondern nur bedachter Dritter. Die für den Erbvertrag vorgeschriebene Form der notariellen Beurkundung werde durch die Aufnahme der Erklärung in einen Prozessvergleich ersetzt (§§ 2276, 127a BGB). Von einem persönlichen Abschluss des Erbvertrags (§ 2274 BGB), der ausweislich des Sitzungsprotokolls in Anwesenheit des Erblassers und seines Prozessbevollmächtigten sowie seiner erste Ehefrau geschlossen worden sei, sei nach der allgemeinen Lebenser...

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