Entscheidungsstichwort (Thema)

Verbundverfahren; fehlende Entscheidungsreife eines Scheidungsantrages bei Verstoß gegen § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Bestimmung des Termins einer Scheidungssache hat derart zu erfolgen, dass den beteiligten Ehegatten ermöglicht wird, nach Zugang der Ladung unter Einhaltung der Zweiwochenfrist nach § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG eine Folgesache anhängig zu machen.

2. Bei Nichteinhaltung dieser Vorgaben bei Terminsbestimmung haben die Ehegatten einen Anspruch auf Terminsverlegung.

3. Erlässt das Familiengericht im Anschluss an den Verhandlungstermin unter Missachtung eines berechtigten Antrages auf Terminsverlegung einen Scheidungsbeschluss, so ist eine hiergegen gerichtete Beschwerde wegen fehlender Entscheidungsreife des Verfahrens begründet und führt zur Aufhebung der Sache und Zurückverweisung an das Familiengericht.

 

Normenkette

FamFG § 137 Abs. 2. S. 1

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kleve vom 23.06.2020 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens an das Amtsgericht zurückverwiesen.

2. Der Antragsgegnerin wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin K bewilligt.

 

Gründe

I. Auf den Scheidungsantrag des Antragstellers vom 09.01.2020, eingegangen beim Amtsgericht am 13.01.2020, hat das Amtsgericht, nachdem es die Auskünfte zum Versorgungsausgleich eingeholt hat, mit Verfügung vom 15.06.2020, den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zugegangen am 16.06.2020, einen Verhandlungstermin bestimmt auf den 23.06.2020. In diesem Termin hat es die Beteiligten gemäß § 128 Abs. 1 FamFG zur Ehescheidung angehört. Die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin hat beantragt, das Verfahren zu vertagen, da aus ihrer Sicht womöglich Anlass bestehe für eine Folgesache betreffend den nachehelichen Unterhalt. Dem Vertagungsantrag ist das Amtsgericht nicht nachgekommen und hat am Schluss der Sitzung einen Scheidungsbeschluss verkündet, in dem auch der Versorgungsausgleich geregelt wurde.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin mit dem Antrag, den Beschluss vom 23.06.2020 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Sie vertritt die Auffassung, das Amtsgericht hätte dem Vertagungsantrag nachkommen müssen, da es ihr aufgrund der kurzfristigen Terminierung nicht möglich gewesen sei, unter Einhaltung der Fristen des § 137 FamFG eine Folgesache anhängig zu machen.

Wegen des vom Amtsgericht durchgeführten Versorgungsausgleichs betreffend das Anrecht des Antragstellers bei der Beteiligten zu 3. haben sowohl diese als auch der Antragsteller selbst Beschwerde eingelegt.

II. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist vorläufig begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

Obwohl die Sache noch nicht entscheidungsreif war, hat das Amtsgericht die Ehe der Beteiligten geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt.

Die fehlende Entscheidungsreife folgt aus einem Verstoß gegen § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG. Danach müssen die Beteiligten Folgesachen spätestens zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug in der Scheidungssache anhängig machen. Aufgrund der vom Amtsgericht kurz bemessenen Ladungsfrist von nur einer Woche ist es der Antragsgegnerin nicht möglich gewesen, unter Einhaltung der 2-Wochenfrist die von ihr beabsichtigte Folgesache zum nachehelichen Unterhalt anhängig zu machen. Es ist anerkannt, dass zur Vorbereitung eines Antrags den Ehegatten zusätzlich zur Ladungsfrist von einer Woche gemäß § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 217 ZPO eine zusätzliche Woche zur Verfügung stehen muss (BGH, Beschluss vom 21.03.2012, XII ZB 447/10, zit. nach juris Rn. 24; Zöller-Feskorn, ZPO, 32. Auflage, § 137 FamFG Rn. 29). Bei einer den genannten Vorgaben nicht entsprechenden Terminsbestimmung haben die Ehegatten ein Anspruch auf Terminsverlegung (BGH, a.a.O., Rn. 25; Zöller-Feskorn, a.a.O.). Dem entsprechenden Antrag der Antragsgegnerin hätte das Amtsgericht daher nachkommen müssen. Da es dies nicht getan hat, ist der Antragsgegnerin Gelegenheit zu geben, in einem nunmehr erneut vom Amtsgericht anzuberaumenden Termin eine Folgesache anhängig zu machen.

Aufgrund der Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht zur erneuten Entscheidung sind die Beschwerden des Antragstellers und der Beteiligten zu 3. zum durchgeführten Versorgungsausgleich gegenstandslos.

Es besteht kein Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Beschwerdewert: 17.550 EUR

 

Fundstellen

Haufe-Index 15197217

FF 2022, 333

FamRB 2022, 341

NZFam 2022, 853

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