Leitsatz (amtlich)

1. Die Annahme der von Ehegatten durch letztwillige Verfügung bestimmten Voraussetzung eines gemeinsamen Versterbens oder Verunglückens ("Sollten wir gemeinsam versterben oder verunglücken, so setzen wir als Ersatzerben unseren Neffen ... als Erben ein.") setzt bereits nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine zeitliche Nähe der beiden Sterbefälle voraus und verbietet sich deshalb im Allgemeinen, wenn zwischen den Todeszeitpunkten eine ganz erhebliche Zeitspanne (hier mehr als 28 Jahre) liegt.

2. Die schlichte Behauptung des "Ersatzerben", er habe in jedem Falle Erbe des Letztlebenden werden sollen, kann solange nicht zu einer ergänzenden Auslegung herangezogen werden, wie kein Anhalt dafür besteht, dass der Erblasser seiner Wortwahl einen vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichenden Sinn beigemessen haben könnte.

 

Normenkette

BGB §§ 125, 2084

 

Verfahrensgang

AG Krefeld (Aktenzeichen 125 VI 178/11)

 

Tenor

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Geschäftswert: 125.000 EUR.

 

Gründe

I. Die am 14.2.2011 verstorbene Erblasserin, die mit dem am 6.7.1982 verstorbenen E. W. S. verheiratet war, war die Tante des Beteiligten zu 1 und die Schwester der Beteiligten zu 2.

Die Erblasserin und traf mit ihrem Ehemann zwei Verfügungen von Todes wegen.

Das notarielle Testament vom 29.7.1965 lautet u. A. wie folgt:

"Wir setzen uns gegenseitig, der Erstversterbende den Überlebenden zum alleinigen Erben ein ..., so dass der Überlebende von uns unser gesamtes Vermögen zur völlig freien Verfügung erhält.

Zu Erben des Längstlebenden von uns berufen wir unsere gemeinsamen Abkömmlinge nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge. Sind keine solchen Abkömmlinge vorhanden, so berufen wir als Ersatzerben den Bruder K. A. W. der Ehefrau,... Wenn wir gleichzeitig versterben, so sollen unsere gemeinsamen Abkömmlinge, ersatzweise der genannte K. A. W. unser beider Erbe werden."

In dem privatschriftlichen gemeinsamen Testament vom 19.6.1972 ordneten die Eheleute an:

"Wir setzen uns gegenseitig ... zum alleinigen Erben ein,... so dass der Überlebende von uns unser gesamtes Vermögen zur völlig freien Verfügung erhält. Sollten wir gemeinsam versterben oder verunglücken so setzen wir als Ersatzerben unseren Neffen J. W ... Sohn des Bruders der Ehefrau als Erben ein.

Hierdurch erkläre ich mein Testament vom 29.7.1965 ... für ungültig."

Der Beteiligte zu 1 hat mit notarieller Urkunde vom 16.5.2011 einen Erbschein beantragt, der ihn als alleinigen Erben des Längstlebenden ausweist. Der Antrag enthält die Erklärung der Beteiligten zu 2, dass sie der Erteilung des beantragten Erbscheins zustimme.

Das Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag mit Beschluss vom 22.6.2011 zurückgewiesen und ausgeführt,

der Beteiligte zu 1 sei - entgegen der mit dem Antrag vertretenen Auffassung - durch das Testament vom 19.6.1972 nicht zum alleinigen Erben berufen worden.

Die im Testament verwendete Formulierung setze als Bedingung für den Eintritt der Ersatzerbfolge ausdrücklich ein gemeinsames Versterben oder Verunglücken voraus, was hier gerade nicht der Fall sei. Der Beteiligte zu 1 sei daher nicht als (Schluss-) Erbe des Längstlebenden bestimmt. Indiz dafür sei auch, dass der Beteiligte zu 1 als "Ersatzerbe" bezeichnet worden ist.

Eine Auslegung, wonach der als solcher bezeichnete Ersatzerbe auch für den Fall das Versterbens nacheinander erben soll, verlange jedenfalls Anhaltspunkte, die darauf hindeuten, dass die Erblasser den Willen hatten, eine vollständige und abschließende Regelung der Vermögensnachfolge zu treffen. Hiervon sei jedoch im vorliegenden Testament nicht auszugehen, denn dort sei ausdrücklich bestimmt, dass der Überlebende das gesamte Vermögen "zur völlig freien Verfügung erhält". Von einer abschließenden Regelung könne daher keine Rede sein.

Von der ihr ausdrücklich zustehenden letztwilligen Verfügungsmöglichkeit habe die Erblasserin keinen Gebrauch gemacht, weshalb gesetzliche Erbfolge eingetreten sein dürfe.

Hiergegen hat der Beteiligten zu 1 sich beschwert und geltend gemacht, das gemeinschaftliche Testament vom 19.6.1972 sei - entgegen der Auffassung des AG - so auszulegen, dass es auch Verfügungen des Längstlebenden der Ehegatten enthalte, wonach dieser den Beteiligten zu 1 als Erben eingesetzt habe.

Das privatschriftliche Testament habe lediglich nach dem Tod des Vaters des Beteiligten zu 1 die Ersatzerfolge neu regeln, nicht aber nunmehr allein den Ausnahmefall des gemeinschaftlichen Versterbens abdecken wollen.

Die als einzige weitere gesetzliche Erbin in Betracht kommende Beteiligte zu 2 sei bei Errichtung des privatschriftlichen Testaments zugegen gewesen und bestätige den Willen der Eheleute S., den Beteiligten zu 1 als Erben des Längstlebenden zu berufen.

Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 30.7.2011 dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Gerade die Tatsache, dass die Eheleute in ihrem privatschriftlichen Testament die im notariellen Testament enthaltene Erbeins...

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