Entscheidungsstichwort (Thema)

Substantiierungsanforderungen und Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bei Geltendmachung eines Zugewinnausgleichsanspruchs; Zuwendung einer Immobilie mit Belastung durch Wohnrecht, Nießbrauch oder Leibrentenversprechen

 

Leitsatz (amtlich)

Jeder Ehegatte trägt für den Bestand und den Wert seines Anfangsvermögens und für seinen privilegierten Erwerb gem. § 1374 Abs. 2 BGB die Darlegungs- und Beweislast. Für den Wert des negativen Anfangsvermögens und für einen negativen privilegierten Erwerb gem. § 1374 Abs. 2 BGB trägt der jeweils andere Ehegatte die Darlegungs- und Beweislast. Der Ehegatte, der den Zugewinnausgleich begehrt, muss neben dem eigenen Endvermögen auch Bestand und Wert des Endvermögens des anderen Ehegatten darlegen und beweisen; dies gilt im Grundsatz nicht nur für das Vorhandensein der Aktiva, sondern auch für das Fehlen von Passiva.

Zu den rechtlichen Maßstäben für die zugewinnrechtliche Einordnung von Belastungen durch ein Wohnrecht oder einen Nießbrauch, die den ausgleichspflichtigen Empfänger einer Immobilie gegenüber dem Zuwendenden treffen (Anschluss an BGH, Beschluss vom 06.05.2015, XII ZB 306/14).

 

Normenkette

BGB §§ 1374-1376, 1384

 

Verfahrensgang

AG Kleve (Aktenzeichen 19 F 220/20)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers vom 02.09.2021 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Moers vom 16.08.2021 aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht zur erneuten Entscheidung über das Verfahrenskostenhilfegesuch des Antragstellers mit der Maßgabe zurückverwiesen, dass unter Berücksichtigung der nachfolgenden Erwägungen die beantrage Verfahrenskostenhilfe nicht wegen fehlender Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung zurückzuweisen ist. Die Entscheidung über die Kosten der sofortigen Beschwerde bleibt ebenfalls dem Amtsgericht vorbehalten.

 

Gründe

I) Die Antragsgegnerin begehrt Verfahrenskostenhilfe für ihren Antrag, mit dem sie die Verpflichtung des Antragstellers zur Zahlung von Zugewinn aus der am 26.10.1990 geschlossenen Ehe begehrt. Der Scheidungsantrag ist am 28.08.2020 zugestellt worden. Nachdem die Antragsgegnerin zunächst im Wege des Stufenantrages einen Verfahrenskostenantrag für einen Auskunftsantrag gegen den Antragsteller gestellt und der Antragsteller daraufhin mit Schriftsatz vom 19.11.2020 Auskunft über sein Vermögen zu den güterrechtlich relevanten Stichtagen erteilt hatte, hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 15.02.2021 einen Antrag auf Verpflichtung des Antragstellers zur Zahlung vom 111.014,69 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit gestellt und hierfür die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe beantragt.

Der Antragsteller ist dem anspruchsbegründenden Vorbringen der Antragsgegnerin entgegengetreten, hat insbesondere die Darstellung eines Zugewinnausgleichsanspruch als nicht schlüssig erachtet und vor diesem Hintergrund beantragt, der Antragsgegnerin Verfahrenskostenhilfe zu versagen.

Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den Verfahrenskostenhilfeantrag der Antragsgegnerin mit der Begründung abgewiesen, die beabsichtigte Rechtsverfolgung habe keine hinreichende Erfolgsaussicht. Es hat die Auffassung vertreten, weder dem Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 15.02.2021 noch dem in Bezug genommenen Schriftsatz vom 04.02.2021 könne eine hinreichend substantiierte Darlegung einer Zugewinnausgleichsforderung nach § 1378 Abs. 1 BGB entnommen werden. Diese setze eine substantiierte Darlegung der einzelnen Positionen voraus, welche zur Berechnung des Vermögens der Ehegatten an den jeweiligen Stichtagen zu Grunde gelegt werden und aus denen sich dann der jeweilige Zugewinn und schließlich der Ausgleichsanspruch nach § 1378 Abs. 1 BGB ergibt.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens eine ergänzte Zugewinnberechnung vornimmt und zu einzelnen Positionen aus dem eigenen Vermögensverzeichnis und demjenigen des Antragstellers zu den jeweiligen Stichtagen vorträgt.

Der Antragsteller verteidigt die angefochtene Entscheidung gegen die Angriffe der Antragsgegnerin und tritt deren ergänzenden Vorbringen entgegen. Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung mit der Begründung vorgelegt, dass weiterhin ein Ausgleichsanspruch der Antragsgegnerin nicht substantiiert dargelegt sei.

II) Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die ablehnende Verfahrenskostenhilfeentscheidung ist gemäß §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2-4 ZPO statthaft, form- und fristgerecht eingelegt worden und damit insgesamt zulässig; in der Sache ist sie vorläufig insoweit begründet, als die angefochtene Entscheidung aufzuheben ist und das Verfahren an das Amtsgericht - Familiengericht - zurückzuverweisen ist, damit dieses unter Beachtung der nachfolgenden rechtlichen Ausführungen zu den Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung erneut üb...

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