Leitsatz (amtlich)

1. Auch im Rahmen der Haftung des Geschäftsführers nach § 64 S. 1 GmbHG aF ist zur Darlegung der Zahlungsunfähigkeit die Aufstellung einer Liquiditätsbilanz entbehrlich, wenn eine Zahlungseinstellung die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit begründet.

2. Schließt der Schuldner, nachdem ein mehrmonatiger Rückstand bei der Bezahlung des Mietzinses für die Betriebsimmobilie aufgelaufen ist, eine Stundungsvereinbarung mit dem Vermieter und ist anschließend weder in der Lage, die vereinbarte Teilzahlung auf den Rückstand noch den laufenden Mietzins zu zahlen, so dass weitere Rückstände auflaufen, kann dies bereits den Schluss auf eine Zahlungseinstellung rechtfertigen.

3. Will sich der Geschäftsführer auf eine Privilegierung von ihm im Zusammenhang mit der Fortführung des Unternehmens geleisteter Zahlungen gemäß § 64 S. 2 GmbHG aF berufen, erfordert dies substantiierten Vortrag dazu, dass anderenfalls eine konkrete Chance auf Sanierung und Fortführung im Insolvenzverfahren zunichte gemacht worden wäre.

4. Macht der Berufungskläger geltend, das erstinstanzliche Gericht habe einen notwendigen Hinweis unterlassen, erfordert die Darlegung, dass die angefochtene Entscheidung auf dem behaupteten Gehörsverstoß beruht, Vortrag dazu, wie er auf einen entsprechenden Hinweis reagiert hätte, insbesondere, was er im Einzelnen vorgetragen hätte und wie er weiter vorgegangen wäre.

5. Gegenüber dem Ersatzanspruch des Insolvenzverwalters aus § 64 S. 1 GmbHG aF kann sich der Geschäftsführer nicht auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen eines Auskunftsanspruch zur Vorbereitung behaupteter Schadensersatzansprüche aus einer nicht der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) entsprechenden Verarbeitung personenbezogener Daten bei der Verwertung der Insolvenzmasse berufen, da die Ansprüche nicht in einem so engen Zusammenhang stehen, dass die Geltendmachung und Durchsetzung des einen ohne den anderen treuwidrig wäre.

 

Normenkette

BGB § 273; DSGVO Art. 15, 82; GG Art. 103 Abs. 1; GmbHG a.F. § 64; InsO § 17 Abs. 2 S. 2; ZPO § 139

 

Verfahrensgang

LG Mönchengladbach (Aktenzeichen 3 O 209/21)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 21.06.2022 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach (3 O 209/21) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dem Beklagten vorbehalten bleibt, nach Erstattung an die Masse Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, die die begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Kläger geltend zu machen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 121.850,05 EUR.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt als Verwalter in dem auf einen Eigenantrag vom 06.02.2020 hin am 01.04.2020 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der R. GmbH (Schuldnerin) den Beklagten, deren einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer, gemäß § 64 S. 1 GmbHG aF auf Ersatz von Zahlungen im Zeitraum vom 03.12.2019 bis 06.02.2020 i.H.v. insgesamt 121.780,09 EUR (Aufstellung Klageschrift, LG-Bl. 10 - 47) in Anspruch.

Die Schuldnerin hat bereits seit ihrer Gründung im Dezember 2018 monatlich erhebliche Verluste (ca. 50 - 90 TEUR) erwirtschaftet. Sie war Mieterin von Büro- und Produktionsflächen ... in Mönchengladbach; der monatliche Mietzins belief sich einschl. Nebenkostenvorauszahlung auf 17.920,13 EUR (brutto). Am 28.11.2019 schloss die Schuldnerin wegen fälliger Mietzahlungen in Höhe von 41.359,10 EUR eine Vereinbarung mit der Vermieterin (Anl. K 3), wonach sie bis Ende November noch 11.359,10 EUR an diese zahlen sollte; die Restschuld von 30.000 EUR sollte bis 31.03.2020 bestehen bleiben und sodann bis zum 31.08.2020 durch monatliche Überweisung von 5.000 EUR getilgt werden. Die ab Dezember 2019 fälligen Mieten wollte die Vermieterin zum 15. eines jeden Monats einziehen. Unter dem 11.02.2020 kündigte die Vermieterin den Mietvertrag fristlos zum 29.02.2020. Zur Begründung führte sie an, der letzte Zahlungseingang sei am 24.09.2019 gewesen, seitdem sei weder eine der zwischenzeitlich vereinbarten Teilzahlungen zum Abbau der offenen Forderungen aus den Monaten August bis September 2019 erfolgt, noch hätten - trotz Einzugsermächtigung - die fälligen Mieten für Oktober 2019 bis Februar 2020 eingezogen werden können, vielmehr sei es in allen fünf Fällen zur Rücklastschriften gekommen (Anl. K 4).

Die Schuldnerin unterhielt zwei Geschäftskonten, eines bei der Kreissparkasse H., das überwiegend kreditorisch geführt wurde, und eines bei der Raiffeisenbank E., das im fraglichen Zeitraum durchgehend debitorisch geführt wurde. Der Kläger begehrt nach Maßgabe einer Au...

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