Leitsatz (amtlich)

1. Eine masseschmälernde Zahlung i.S.v. § 64 Satz 1 GmbHG liegt auch dann vor, wenn der Geschäftsführer nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit Gehälter an Mitarbeiter der Gesellschaft zahlt, weil Arbeits- oder Dienstleistungen regelmäßig für eine Verwertung durch die Gläubiger nicht geeignet sind.

2. Zahlungen zur vorübergehenden Aufrechterhaltung des Betriebs sind nur dann i.S.d. § 64 Satz 2 GmbHG mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar, wenn ohne die Zahlung der Betrieb sofort eingestellt werden müsste und damit eine ernsthafte Chance auf Sanierung oder Fortführung im Insolvenzverfahren zunichte gemacht würde. Das Bestehen einer ernsthaften Sanierungschance ist vom Geschäftsführer darzulegen und zu beweisen.

3. Weisungen des Gesellschafters können Zahlungen des Geschäftsführers nach Insolvenzreife regelmäßig nicht rechtfertigen, weil der von ihm zu leistende Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist (§ 64 Satz 4 i.V.m. § 43 Abs. 3 Satz 3 GmbHG).

4. Wird der Geschäftsführer gemäß § 64 Satz 1 GmbHG verurteilt, ist ihm - damit es nicht zu einer Bereicherung der Masse kommt - von Amts wegen in dem Urteil vorzubehalten, nach Erstattung an die Masse Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, die die begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Insolvenzverwalter geltend zu machen.

 

Normenkette

GmbHG § 64 Fassung: 2020-12-31, § 43 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Aktenzeichen 5 O 117/20)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 05.05.2021 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Düsseldorf (5 O 117/20) wird mit folgender Maßgabe zurückgewiesen:

Dem Beklagten bleibt vorbehalten, nach Erstattung des ausgeurteilten Betrages an die Masse Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, die die begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Kläger geltend zu machen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über Ansprüche aus Geschäftsführerhaftung gemäß § 64 Satz 1 GmbHG i.d. bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung (BGBl. I 2026).

Der Kläger ist aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Krefeld vom 25.07.2016 (Az. 94 IN 4/16), mit dem aufgrund eines am 26.01.2016 bei Gericht eingegangenen Eigenantrags und eines am 26.04.2016 eingegangenen Gläubigerantrags das Insolvenzverfahren über das Vermögen der E. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) eröffnet wurde, deren Insolvenzverwalter (Anlage K 1).

Gründungsgesellschafter und seit dem 19.08.2010 Alleingesellschafter der Schuldnerin war D., der bis zum 05.08.2015 und seit dem 06.10.2015 auch deren alleiniger Geschäftsführer war. Der Beklagte war in der Zwischenzeit, d.h. vom 05.08.2015 bis 06.10.2015 alleiniger Geschäftsführer der Schuldnerin. Ihr Unternehmensgegenstand war zunächst Gebäudereinigung und wurde zeitgleich mit dem Geschäftsführerwechsel am 05.08.2015 in Vertrieb und Vermarktung von Finanzdienstleistungsprodukten geändert. In diesem Zusammenhang wurde der Geschäftsbetrieb der A. UG (...) auf die Schuldnerin verlagert, deren Unternehmensgegenstand die Verwaltung eigenen Vermögens und das Marketing war und deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer D. seinerzeit war (s. Anlage K 5, S. 10). Die Schuldnerin warb vier Kunden als Investoren, die aufgrund von sog. "Kommissions- und Vertraulichkeitsvereinbarungen" abhängig von der Höhe ihrer Investitionssumme an den Trading-Gebühren für die von der Schuldnerin gehandelten Kontrakte beteiligt werden sollten (s. Anlagenheft Beklagter). Diese zahlten im Zeitraum vom 27.08. bis 02.10.2015 jeweils 25.000 EUR auf deren Geschäftskonto bei ... ein (Anlage K 4). Weitere 30.000 EUR wurden in bar eingeworben (vgl. Anlage K 5, S. 10).

Gegenstand der Klage sind vier Barabhebungen von diesem Geschäftskonto der Schuldnerin im Zeitraum vom 28.08.2015 bis zum 02.10.2015 i.H. von insgesamt 78.150 EUR, die in der Folgezeit verbraucht wurden und deren Erstattung der Kläger vom Beklagten begehrt. Wegen der Einzelheiten wird auf S. 3 der Anspruchsbegründung (Bl. 11 GA) sowie die als Anlage K 4 vorgelegten Kontoauszüge Bezug genommen. Dem Beklagten ist am 29.08.2019 ein entsprechender Mahnbescheid zugestellt worden (Bl. 3 GA).

Zur Insolvenztabelle angemeldet wurden Forderungen i.H. von insgesamt 198.496,57 EUR (Anlage K 6).

Der Kläger hat auf Grundlage seines Gutachtens im Insolvenzeröffnungsverfahren (Anlage K 5) behauptet, die Schuldnerin sei bereits kurz nach Aufnahme des Geschäftsbetriebs am 01.01.2009 rechnerisch überschuldet gewesen. Mangels...

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