Tenor

I.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

II.

Die dem Rechtsanwalt F. in K. aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung wird auf

715,88 Euro

festgesetzt.

III.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

IV.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Das Landgericht verurteilte den Angeklagten am 19. März 2010 wegen Vorteilsannahme in sechs Fällen und wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Angeklagten auferlegt; soweit das Verfahren zuvor gegen ihn eingestellt worden war, wurden die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegt. Im Laufe der Hauptverhandlung, nämlich am 22. Februar 2010, vernahm die Strafkammer den Zeugen G. J. K.. Diesem hatte der Vorsitzende der Strafkammer zuvor Rechtsanwalt G. F. in K. gemäß § 68b StPO als Zeugenbeistand beigeordnet.

Rechtsanwalt F. begehrt nunmehr von der Landeskasse für seine Tätigkeit hinsichtlich des Zeugen Gebühren und Auslagen von insgesamt 716,74 Euro, nämlich entsprechend der Tätigkeit eines Verteidigers mit je einer Grund-, Verfahrens- und Terminsgebühr. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle sah jedoch nur eine Einzeltätigkeit des Zeugenbeistandes und setzte die Vergütung mit Beschluss vom 19. Mai 2010 auf 354,12 Euro fest. Die hiergegen gerichtete Erinnerung des Rechtsanwalts hat der Einzelrichter des Landgerichts verworfen. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Rechtsanwalt mit der Beschwerde. Das nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 und 3 RVG zulässige Rechtsmittel ist begründet.

II.

1. Dem einem Zeugen beigeordneten Rechtsanwalt stehen die in Teil 4 (Strafsachen) Abschnitt 1 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum RVG bestimmten Gebühren eines Verteidigers zu. Dies ergibt sich aus der hierzu ergangenen Vorbemerkung 4 Abs. 1. Danach sind ausdrücklich die Vorschriften über die Gebühren eines Verteidigers für die Tätigkeit eines Rechtsanwalts als Beistand eines Zeugen entsprechend anwendbar.

Dies entspricht auch dem erklärten Willen des Gesetzgebers, wie er in der Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 11. November 2003 niedergelegt ist. Danach soll einer stärkeren Stellung des Opfers im Strafverfahren Rechnung getragen werden; neu sei, dass der Rechtsanwalt auch im Strafverfahren als Beistand eines Zeugen die gleichen Gebühren wie ein Verteidiger erhalten solle (BT-Ds 15/1971 S. 220).

Es besteht kein Grund, von der nach dem gesetzlichen Wortlaut klaren und vom Gesetzgeber so auch gewollten Regelung abzuweichen. Insbesondere liegt in der Beistandsleistung für einen Zeugen keine Tätigkeit, die gemäß Nr. 4301 Nr. 4 VV RVG als Einzeltätigkeit zu vergüten wäre. Anders als in der oben dargestellten Vorbemerkung 4 Abs. 1 wird die Leistung des Rechtsanwalts als Beistand für einen Zeugen nicht ausdrücklich angesprochen; auch in der Entwurfsbegründung hierzu (BT-Ds 15/1971 S. 230) findet sie keine Erwähnung. Mithin ist eine derartige - reduzierte - Vergütung vom Gesetzgeber ausdrücklich nicht gewollt.

Die Gleichstellung eines Zeugenbeistandes mit einem Verteidiger ist auch sachgerecht. Gleich einem Verteidiger muss sich der Beistand umfassend über das Verfahren informieren, in dem der Zeuge aussagen soll. Er muss prüfen, inwieweit der Zeuge involviert ist und ob und in welchem Maße etwa ein Aussageverweigerungsrecht nach § 55 StPO besteht; hierbei muss er im Blick haben, ob bestimmte Anhaltspunkte Anlass für ein Strafverfahren gegen den Zeugen bilden können. Der Rechtsanwalt kann sich nicht allein auf die dem Zeugen vom Gericht übermittelte Beweisfrage beschränken, sondern hat den gesamten Vernehmungskomplex einschließlich möglicher Fragen von Prozessbeteiligten im Blick zu halten. Die Arbeit des Zeugenbeistandes wird durch die Beschränkung des Akteneinsichtsrechts über den in § 475 StPO dargestellten Umfang hinaus (vgl. OLG Düsseldorf NJW 2002, 2806) eher erschwert. Manches, was sich durch gezielte Einsicht in die Akten klären ließe, muss der Rechtsanwalt mit dem Zeugen mündlich besprechen. Eine Arbeitserleichtung ist insoweit nicht erkennbar.

Unter Berücksichtigung all dieser Überlegungen stellt der Senat vergütungsrechtlich die Tätigkeit eines Zeugenbeistandes derjenigen eines Verteidigers gleich (Senatsbeschluss vom 16. September 2009 - III-4 Ws 322/09; ebenso u. a. OLG Düsseldorf, 2. Strafsenat, Beschluss vom 7. November 2007 - III-2 Ws 257/07 - bei juris; OLG Köln, 2. Strafsenat, StraFo 2008, 350; OLG Stuttgart, 1. Strafsenat, NStZ 2007, 343; OLG München, OLG Koblenz a. a. O.; anderer Ansicht: OLG Düsseldorf, 3. Strafsenat, Beschluss vom 5. Februar 2009 - III-3 Ws 451/08 - bei juris; OLG Stuttgart, 5. Strafsenat, NStZ-RR 2008, 328; OLG Frankfurt, 2. Strafsenat, NStZ-RR 2008, 264).

2. Zwar ist bei einer Einzeltätigkeit des Zeugenbeistandes - ebenso wie bei einem Verteidiger - lediglich die in Nr. 430...

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