Leitsatz (amtlich)

Zur Auslegung eines im Anschluss an gemeinschaftliche Testamente errichteten Einzeltestaments der nicht verfügungsbeschränkten nachverstorbenen Ehefrau im Sinne einer Einsetzung des Sohnes als befreiten Vorerben und dessen Kinder als Nacherben und einer von der Erblasserin nicht gewollten Ernennung einer Ersatzperson als Testamentsvollstrecker durch das Gericht bei Wegfall der von ihr ausdrücklich vorgesehenen Personen (hier durch Verweigerung der Annahme des Amtes gegenüber dem Nachlassgericht).

 

Normenkette

BGB §§ 2100-2102, 2136, 2137 Abs. 1, §§ 2147-2149, 2198, 2200

 

Verfahrensgang

AG Neuss (Aktenzeichen 131 VI 288/15)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beteiligte zu 1.

 

Gründe

I. Die Erblasserin hatte mit ihrem vorverstorbenen Ehemann die gemeinschaftlichen Testamente vom 15. Januar 1982 und vom 12. Juli 1989 errichtet. In dem zweiten Testament erklärten die Eheleute, frühere Verfügungen zu widerrufen, und setzten sich wechselseitig zu Alleinerben ein; als Schlusserben benannten sie den Beteiligten zu 3, ihren Sohn. Weiter verfügten sie, dass der jeweils überlebende Ehegatte zu Änderungen des Testaments berechtigt sei. Ferner ordneten sie die Testamentsvollstreckung an.

Der Beteiligte zu 2 ist der Sohn des Beteiligten zu 3; die Ehe mit der Mutter des Beteiligten zu 2 wurde im Jahr 1990 geschieden. Die Beteiligte zu 1 ist die Tochter des Beteiligten zu 3 aus einer im Jahr 1993/1994 beendeten nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft.

Noch zu Lebzeiten veräußerte der Ehemann der Erblasserin das von ihm betriebene Unternehmen, eine Spedition in Neuss. Nach seinem Tod im Jahr 1991 erwarb die Erblasserin mit Mitteln aus dem Nachlass ihres Ehemannes verschiedene Immobilien; zwei dieser Immobilien schenkte sie dem Beteiligten zu 3.

Am 01. September 2009 errichtete die Erblasserin ein Einzeltestament, in welchem sie auszugsweise wie folgt verfügte:

"... und bestimme hiermit als meinen letzten Willen unseren gemeinsamen Sohn ... zu meinem Alleinerben."

In dem folgenden Absatz ordnete sie die Testamentsvollstreckung durch den Wirtschaftsprüfer, der zunächst für beide Eheleute und später allein für die Erblasserin, steuerlich beratend tätig war, ersatzweise durch einen anderen ebenfalls namentlich benannten Wirtschaftsprüfer aus demselben Büro, an.

Im Anschluss an die Verfügungen über die Testamentsvollstreckung hielt die Erblasserin folgendes fest:

"Geht mein Sohn eine erneute Ehe ein, ist Gütertrennung vertraglich zu vereinbaren, anderenfalls erhält er nur den Pflichtteil.

Nach seinem Ableben wird die Hinterlassenschaft aus meinem Erbe mit den Kindern A und B, seiner evtl. neuen Ehefrau aufgeteilt.

Bei B ist Nachweis der Abstammung zu erbringen."

Bereits seit dem Jahr 2000 unterstützte der Beteiligte zu 3 die Erblasserin in deren Vermögensangelegenheiten. In diesem Zusammenhang erteilte die Erblasserin ihm auch eine Bankvollmacht. Ab den Jahren 2010/2011 war der Beteiligte zu 3 nicht mehr beruflich tätig und unterstützte die Erblasserin zusätzlich auch in pflegerischer Hinsicht. Unter dem 23. Dezember 2013 erteilte die Erblasserin dem Beteiligten zu 3 eine transmortale Generalvollmacht.

Nach dem Tod der Erblasserin erklärten die beiden in dem Einzeltestament vom 01. August 2009 benannten Personen gegenüber dem Nachlassgericht, das Amt als Testamentsvollstrecker nicht anzunehmen.

Der Beteiligte zu 3 beantragte gestützt auf das Einzeltestament vom 01. August 2009 zunächst die Erteilung eines Erbscheins, wonach er befreiter Vorerbe und die Beteiligten zu 1 und 2 Nacherben zu gleichen Teilen seien.

Diesen Antrag verfolgte er im Laufe des Verfahrens sodann als Hilfsantrag zu 1 und richtete seinen Hauptantrag auf Erteilung eines ihn als Alleinerben ausweisenden Erbscheins. Hierzu hat er vorgebracht, die von der Erblasserin gewählte Formulierung, dass nach seinem Ableben "die Hinterlassenschaft aus meinem Erbe" mit den dort bezeichneten Personen "aufgeteilt" werden solle, sei dahin auszulegen, dass die Erblasserin ein Vermächtnis des Überrestes im Zeitpunkt seines, des Beteiligten zu 3, Ablebens, aufschiebend bedingt durch seinen Tod, habe anordnen wollen.

Als Hilfsantrag zu 2 stellte er einen den Hilfsantrag zu 1 konkretisierenden Antrag gerichtet auf einen Erbschein mit dem Inhalt, dass die Erblasserin von ihm als Vorerben beerbt worden sei; Nacherben seien die Beteiligten zu 1 und 2 und die etwaige Ehefrau des Vorerben zu gleichen Teilen; die Nacherben seien dabei auf dasjenige eingesetzt, was von der Erbschaft bei dem Eintritt der Nacherbfolge übrig sein werde; mithin sei der Vorerbe befreit. Zur Begründung seiner Hilfsanträge hat er die Auffassung vorgetragen, mit den in dem Testament verwendeten Formulierungen habe die Erblasserin jedenfalls die Vor- und Nacherbfolge anordnen wollen. Dabei habe sie ihm die Rechtsstellung eines befreiten Vorerben einräumen wollen, denn nur das, was nach seinem Ableben aus der Erbschaft übrig sein würde, solle unter...

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