Leitsatz (amtlich)

Zu den - hier nicht gegebenen - Voraussetzungen einer Ermächtigung des mit den Wirkungskreisen der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie der Ermittlung der Erben bestellten Nachlasspflegers durch das Nachlassgericht zur Auflösung eines im Nachlass befindlichen Depots mit Anleihen und zur Überweisung des Auflösungsguthabens auf ein Treuhandkonto zum Zwecke der mündelsicheren Anlage

 

Normenkette

BGB § 1812 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, §§ 1813, 1915 Abs. 1 S. 1, § 1960 Abs. 2 (letzter Fall), § 1962

 

Verfahrensgang

AG Neuss (Aktenzeichen 131 VI 149/18)

 

Tenor

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Geschäftswert: 5.000 EUR

 

Gründe

I. Auf Antrag des Bürger- und Ordnungsamtes der Stadt A... ist Nachlasspflegschaft für die unbekannten Erben der Erblasserin angeordnet worden. Mit Beschluss vom 27. März 2018 ist der Beteiligte zu 1. zum Nachlasspfleger mit den Wirkungskreisen der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie der Ermittlung der Erben bestellt worden. Der Beteiligte zu 2. ist mit weiterem nachlassgerichtlichen Beschluss vom selben Tage zum Verfahrenspfleger bestellt worden zur Vertretung der unbekannten Erben und zur Wahrnehmung ihrer Interessen.

Die Ermittlungen des Beteiligten zu 1. ergaben, dass der Aktivnachlass zum Todestag bestand aus (Kontenstände gerundet) einem Girokonto (10.700 EUR), einem Sparkonto (20.000 EUR) und einem Depot (25.200 EUR; Sparkasse A..., Depot 585986), in dem Anleihen gehalten werden, die ihr Kapital in Renten anlegen; bei diesen handelt es sich nicht um eine mündelsichere Anlage.

Der Beteiligte zu 1. beabsichtigt, das genannte Depot aufzulösen, das Auflösungsguthaben zunächst einem Treuhandkonto zuzuführen und alsdann mündelsicher anzulegen. Hierzu hat er die gerichtliche Ermächtigung zur Depotauflösung und zur Überweisung des Auflösungsguthabens auf das Treuhandkonto beantragt. Dem ist der Beteiligte zu 2. entgegengetreten.

Den Ermächtigungsantrag hat das Nachlassgericht durch die angefochtene Entscheidung zurückgewiesen.

Gegen diesen ihm am 23. Oktober 2018 zugestellten Beschluss wendet sich der Beteiligte zu 1. mit seinem am 6. November 2018 bei Gericht eingegangen Rechtsmittel, das der Beteiligte zu 2. zurückgewiesen wissen möchte.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Nachlassakte Bezug genommen.

II. Die Sache ist infolge der mit weiterem Beschluss des Nachlassgerichts vom 28. Dezember 2018 ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe dem Senat zur Entscheidung angefallen (§ 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. FamFG).

Das Rechtsmittel des Beteiligten zu 1. ist als befristete Beschwerde statthaft und insgesamt zulässig, §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 2, 61 Abs. 1, 63 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG.

In der Sache erweist es sich jedoch als unbegründet. Das Amtsgericht hat die beantragte nachlassgerichtliche Genehmigung zu Recht versagt.

Das Nachlassgericht ist von §§ 1960 Abs. 2 (letzter Fall); 1915 Abs. 1 Satz 1; 1812 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2; 1813; 1962 BGB und damit - wie von den Beteiligten auch nicht bezweifelt - von den zutreffenden rechtlichen Ansätzen ausgegangen. Mithin geht es allein um die Frage, ob die vom Beteiligten zu 1. beabsichtigte Vermögensumschichtung durch Depotauflösung und Überweisung zum Zwecke späterer mündelsicherer Anlage zu genehmigen ist. Das hängt, da hier eine Verpflichtung des Nachlasses zur Vornahme der Rechtsgeschäfte nicht in Rede steht, davon ab, ob die Umschichtung dem pflichtgemäßen Ermessen des Beteiligten zu 1. als Nachlasspfleger entspricht (vgl. MK - Kroll-Ludwigs, BGB, 7. Aufl. 2017, § 1812 Rdnr. 40). Dies lässt sich nach den antragsbegründenden Darlegungen - mithin derzeit - nicht feststellen.

a) Wie der Regelungszusammenhang der Absätze 1 und 2 des § 1960 BGB zeigt, ist es Kernaufgabe eines Nachlasspflegers mit den im gegebenen Fall angeordneten Wirkungskreisen, die Vermögensinteressen der noch festzustellenden Erben auch dadurch wahrzunehmen, dass er den Nachlass erhält; denn das Nachlassgericht hat im Anwendungsbereich des § 1960 BGB "für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen", und zur Erfüllung dieser staatlichen Fürsorgepflicht bedient es sich des Pflegers (BGH NJW 1983, 226 f). Schon aus diesem Grund hat die Sicherung des Nachlasses Vorrang vor seiner Vermehrung (so Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, 3. Aufl. 2013, Rdnr. 366). Die Erhaltung kann, den typischen Interessen unbekannter Erben entsprechend, jedenfalls regelmäßig nicht gegenständlich, sondern muss wertbezogen verstanden und beurteilt werden. Dann aber ist der Nachlass nicht nur in seiner Aktualität - dem gegenwärtig tatsächlich vorhandenen Bestande -, sondern auch in seiner Potenzialität, nämlich seinen Wertentwicklungen, soweit hinreichend zu beurteilen, zu berücksichtigen; anderenfalls nähme man den festzustellenden Erben diejenigen Chancen, die der Nachlass aufgrund seiner Vermögensstruktur zur Zeit des Erbfalls enthielt und die deshalb unter dem Gesichtspunkt der Potenzialität gleichfalls dessen "Bestandteil" waren (plastisch Zimmermann a.a...

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