Leitsatz (amtlich)

Hat der Wahlverteidiger weder sein Wahlmandat niedergelegt noch um Bestellung zum Pflichtverteidiger gebeten, kann nicht von einer stillschweigenden Pflichtverteidigerbestellung ausgegangen werden. Ist ein Wahlverteidiger tätig und der Angeklagte damit ordnungsgemäß verteidigt, besteht kein Grund für das Gericht zur Heranziehung oder Bestellung eines Verteidigers. Es besteht dann kein Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Düsseldorf werden die Beschlüsse der 11. Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 5. Dezember 2006 und der Rechtspflegerin vom 20. Juli 2006 aufgehoben. Der Antrag der Rechtsanwältin auf Festsetzung einer aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung wird zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Gegen den früheren Angeklagten ist mit Urteil vom 23. Mai 2005 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 75 Fällen, davon in 38 Fällen in nicht geringer Menge, eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und vier Monaten verhängt worden. Außerdem sind ihm die Kosten des Verfahrens auferlegt worden.

Mit Beschluss vom 20. Juli 2006 hat die Rechtspflegerin des Landgerichts auf Antrag der Rechtsanwältin die an vier Hauptverhandlungstagen als Verteidigerin für den früheren Angeklagten anwesend war, eine aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung in Höhe von 1.830,02 EUR festgesetzt.

Gegen diese Entscheidung hat der Bezirksrevisor Erinnerung eingelegt, die die Strafkammer mit Beschluss vom 5. Dezember 2006 zurückgewiesen hat. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Bezirksrevisors.

II.

1.

Die Beschwerde ist gemäß § 56 Abs. 2 in Verbindung mit § 33 Abs. 3 RVG zulässig.

Über sie hat der Senat mit drei Richtern und nicht eines seiner Mitglieder als Einzelrichter zu entscheiden.

Der Senat weist darauf hin, dass über die Erinnerung nicht - wie geschehen - die vollständige Strafkammer des Landgerichts, sondern ein Einzelrichter zu befinden hatte. Dies ergibt sich aus § 56 Abs. 2 in Verbindung mit § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG. Da die an-

gefochtene Entscheidung indes von der vollständig besetzten Kammer erlassen worden ist, muss über die Beschwerde der Senat mit drei Richtern befinden. Nach dem Sinn und Zweck des § 56 Abs. 2 in Verbindung mit § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG soll vermieden werden, dass an einer Rechtsmittelentscheidung weniger Richter mitwirken, als an dem angefochtenen Beschluss.

2.

In der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg.

Rechtsanwältin t4Htnat keinen Anspruch auf Festsetzung einer aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung. Sie ist zu keinem Zeitpunkt zur Pflichtverteidigerin des früheren Angeklagten bestellt worden. Ausweislich der Sitzungsniederschriften hat sie am 12. Januar, 9. und 20. Februar sowie am 16. März 2005 als Verteidigerin an der Hauptverhandlung teilgenommen. Eine Bestellung zur Pflichtverteidigerin ergibt sich aus dem Protokoll ebenso wenig wie ein von ihr diesbezüglich gestellter Antrag. Sie hat mithin als Wahlverteidigerin an der Verhandlung teilgenommen, ebenso wie an anderen Sitzungstagen der Wahlverteidiger Rechtsanwalt.

Zwar trifft es zu, dass eine Bestellung zum Pflichtverteidiger auch stillschweigend erfolgen kann (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl. 2006, § 141 Rdnr. 8). Eine solche stillschweigende Bestellung setzt jedoch grundsätzlich voraus, dass der Verteidiger zumindest einen entsprechenden Antrag gestellt hat (vgl. Senat, Beschluss vom 18. Dezember 2002 - 1 Ws 459/02; OLG Koblenz vom 10. Dezember 1994-1 AR 10/93 StR; OLG Oldenburg i. O. vom 8. September 2003 - 1 Ws 377/03 ≪iuris≫). Wenn der Verteidiger beantragt hat, ihn zum Pflichtverteidiger zu bestellen, und er an der Hauptverhandlung teilnimmt, obwohl eine Entscheidung über seinen Antrag versehentlich unterblieben ist, ist es gerechtfertigt, von einer stillschweigenden Bestellung auszugehen.

Hier hat die Verteidigerin ausweislich der Sitzungsniederschriften weder ihr Wahlmandat niedergelegt noch eine Bestellung zur Pflichtverteidigerin beantragt. Entgegen dem Inhalt des Vermerks des Vorsitzenden der Strafkammer vom 17. Juli 2006 gibt es für ein "Heranziehen" der Verteidigerin durch das Gericht weder einen Hinweis noch eine Veranlassung. Der frühere Angeklagte war ordnungsgemäß verteidigt, weil Rechtsanwältin als Wahlverteidigerin tätig war. Es gab keinen Grund für die Strafkammer, von sich aus einen Verteidiger heranzuziehen oder zu bestellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2572164

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